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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir
Autoren: Karen Sander
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im Bad finde ich bestimmt etwas Passendes.» Ohne zu zögern rannte Liz zurück zur Tür. Sie hatte die Klinke schon in der Hand, als sie wie versteinert stehenblieb. Ein tierisches Heulen drang von unten herauf. Gefolgt von einem Poltern auf der Treppe. Instinktiv drehte Liz den Schlüssel im Schloss. Keine Sekunde zu spät. Schon wurde von außen an der Tür gerüttelt.
    «Liz!», brüllte Hendrik. «Mach sofort auf! Du entkommst mir nicht! Niemand entkommt mir!»
    Verdammt! Warum hatte sie nicht sichergestellt, dass Hendrik außer Gefecht war? Warum hatte sie nicht ein weiteres Mal zugeschlagen, selbst auf die Gefahr hin, ihn umzubringen? Liz legte die Hand auf das Holz der Tür. Sie kannte die Antwort: Er war ihr Bruder, und die Vorstellung, ihn ein zweites Mal zu verlieren, zerriss ihr trotz allem, was er getan hatte, das Herz.
    Wieder rüttelte Hendrik an der Klinke, trat vor das Holz. Die ganze Tür bebte, doch das Schloss hielt stand. «Na warte!», brüllte er. «Dafür wirst du bezahlen!»
    Hinter der Tür wurde es still.
    «Leb wohl, Hendrik», flüsterte Liz.
    Sie wandte sich ab und sah sich hektisch in dem Zimmer um. Ein Doppelbett, ein Schrank, zwei Kommoden mit Schubladen. Sie lief zu der Kommode, auf der eine Pillendose und ein Lippenstift lagen, und riss die obere Schublade auf. Taschentücher, Fotos, eine Cremedose – und ein Nageletui! Liz zog den Reißverschluss auf und nahm die Schere heraus.
    Sie stürzte zu Stadler und kniete sich neben ihn. Die Schneide der winzigen Schere war viel zu klein für das dicke Seil, trotzdem schaffte sie es, die Fesseln Faser für Faser zu durchtrennen. Sie hatte es fast geschafft, als ein erneutes Geräusch aus dem unteren Teil des Hauses sie zusammenfahren ließ. Ein Dröhnen, das rasch lauter wurde.
    «Feuer!», rief Stadler. «Er hat die Kanister angezündet!»
    «Scheiße!» Liz hackte auf die Kordel ein.
    «Wir haben Glück», sagte Stadler, den Blick argwöhnisch auf die Tür gerichtet. «Keine Verpuffung. Sonst wären wir schon tot.»
    Endlich lösten sich die letzten Stränge, erleichtert ließ Liz die Schere fallen.
    Schon strömte Hitze durch die Zimmertür, das Knallen explodierender Fensterscheiben verriet, wie schnell die Flammen sich ausbreiteten.
    Stadler sprang hoch und riss das Fenster auf. «Wir müssen springen, hier bricht gleich die Hölle los! Schaffst du das?»
    «Nicht mein erster Sprung aus dem ersten Stock heute», sagte Liz und kletterte auf die Fensterbank. Sie war so erleichtert, dass sie beinahe gegrinst hätte.
    Als sie und Stadler kurz nacheinander in dem nackten Geäst einer Forsythie landeten, ertönte in der Ferne das Heulen einer Sirene, das sich rasch näherte. Entweder hatte Birgit Liz’ Handy endlich orten lassen, oder ein besonders aufmerksamer Nachbar hatte das Feuer bereits bemerkt.

Dienstag, 5. November, 11:37 Uhr
    Birgit bog dreißig Sekunden vor dem Löschzug in die schmale Sackgasse. Das Feuer tauchte den grauen Schneehimmel in unwirkliches Licht.
    Trotz der geschlossenen Schneedecke raste Birgit mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Wendehammer zu. Miguel hatte schon die Hand am Türgriff. Es hatte einfach zu lange gedauert, bis sie begriffen hatten, wo die drei Vermissten steckten. Zwar hatten sie wegen Gefahr im Verzug keine vorherige richterliche Genehmigung für die Handyortung gebraucht, doch das Gebiet, das die Funkzelle umfasste, war größer gewesen als erwartet, und erst nach einigen Minuten des Kartestudierens war Birgit plötzlich eingefallen, dass in dem eingezeichneten Bereich das ehemalige Wohnhaus der Montarios liegen musste. Auf dem Weg nach Duisburg hatten sie über Funk erfahren, dass ein Nachbar die Feuerwehr alarmiert hatte.
    Birgit steuerte den Wagen im Wendehammer links auf den Bürgersteig, um das Löschfahrzeug nicht zu behindern, und sprang wenige Sekunden nach ihrem Kollegen nach draußen. Das Haus lag gegenüber. Die untere Etage stand in Flammen, das Gebäude ächzte unter der Feuersbrunst, kleinere Explosionen waren zu hören. Zu Birgits Überraschung standen keine Schaulustigen auf der Straße, doch hinter den Fenstern der Nachbarhäuser sah sie Gesichter.
    Das Fahrzeug der Feuerwehr näherte sich, durch die enge Straße kam es langsamer voran als der Passat. Birgit sah zurück zu dem Feuer und glaubte, einen Schatten zu erkennen, der hinter der Garage an der linken Hausseite hervorkam und im Garten des Nachbargrundstücks verschwand. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob es
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