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Reagans Satellit

Reagans Satellit

Titel: Reagans Satellit
Autoren: Robert Silverberg
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1.
     
    Aus einer Höhe von 16 Meilen über dem Meeresspiegel war die Aussicht wundervoll. Es war ein wolkenloser Tag, und vor Faktorist Claude Regan lag Nordamerika wie eine entrollte Karte ausgestreckt. Dort unten war das große Maul der Hudson Bay, dort das Weiß, Braun und Grün Kanadas, und südlich davon, entlang des gekrümmten Horizonts, lagen die Vereinigten Staaten. Claude Regan blickte mit Vergnügen hinaus, als schaue er hinab auf das eigene, persönliche Königreich.
    Streng genommen, verhielt es sich nicht so. Nordamerika gehörte nicht Claude Regan, obwohl er während der letzten Monate bisweilen die Versuchung empfunden hatte, es zu glauben. Ihm gehörte nicht einmal der luxuriös ausgestattete Privat-Jet, der ihn gegenwärtig mit fast dreifacher Schallgeschwindigkeit von China über den Pol nach Denver trug. Das Flugzeug war das Eigentum der Global Factors Inc., und das war nicht ganz das gleiche, als sei es das Eigentum von Faktorist Claude Regan. Und Nordamerika war nicht einmal das Eigentum der Firma.
    Regan wandte den Blick vom Bullauge. »Eine prächtige Aussicht«, bemerkte er zu dem Sekretär, der ihm am nächsten saß.
    »Gewiß, Faktorist Regan.«
    »Man kann sehen, daß die Erde rund ist«, fügte Regan hinzu. »Falls Sie Zweifel daran hegten.«
    »Ich habe es niemals bezweifelt, Faktorist Regan.«
    »Das freut mich zu hören«, sagte Regan. Der Sekretär errötete nicht. Sie sind unempfindlich gegen Bosheiten, dachte Regan. Er verdunkelte das Fenster – das helle Licht störte ihn ein wenig – und beschäftigte sich wieder mit den Papieren auf seinen Knien. Es handelte sich um den Text eines Kreditvertrags zwischen der Volksrepublik China einerseits und der Global Factors Inc. andererseits, der über eine Kreditsumme von 600 Millionen Dollar zugunsten des erstgenannten Vertragspartners lautete, wobei besagte Summe einem Zinssatz von 8 Prozent pro Jahr unterlag, vom 1. Juli 1994 an jedoch nur noch einer Leihgebühr von 30 Millionen Dollar pro Jahr, bis ...
    Regan nickte. Alles war in Ordnung. Vorsitzender Ch'ien hatte über den Zinssatz geschimpft, und wahrscheinlich schimpfte er noch immer. Regan hatte geduldig gelauscht, gelächelt und dann ruhig erklärt, in diesem Fall sei es wohl besser, der Vorsitzende Ch'ien wende sich um den Kredit an andere Leute.
    Es war geschafft. Die Volksrepublik China war, den Hut in der Hand, zu Claude Regans Firma gekommen und hatte um einen Kredit ersucht, und nun war der Vertrag unterzeichnet. Müde fuhr Regan mit dem Daumen über seine Lider. Ein Sekretär bemerkte die Bewegung.
    »Darf ich Ihnen ein Stimu bringen, Faktorist Regan?«
    »Geben Sie mir ein Glas Wasser«, sagte Regan. »Pur.«
    Er lehnte sich ins Polster und schaltete den Vibrator ein. Seine Rückenmuskulatur war verkrampft und verspannt. Nie Zeit für ein bißchen Körperertüchtigung, dachte Regan. Zu beschäftigt damit, den Staatsmännern die Händchen zu halten.
    Aber war es nicht genau das, was du wolltest? fragte er sich.
    Er bekam das Glas Wasser. Regan leerte es, sah das Diktiergerät an und begann zu sprechen. »Brief an Seine Durchlauchtige Hoheit, Sir Bawala Abukawa Ngdala, Premierminister der Föderation Nigeria, Laogs. Lieber Bobo, es war unheimlich nett von Dir, mich zur Eröffnung der neuen hydroelektrischen Anlage einzuladen, und ich hätte gerne teilgenommen. Unglücklicherweise war zu diesem Zeitpunkt meine Anwesenheit in Peking erforderlich, und ...«
    Regan plapperte den Rest des Briefes mit geschlossenen Augen. Gewöhnlich überließ er derartigen Kram seinen Sekretären, aber da er während des Flugs nichts tun konnte außer Arbeiten oder Schlafen, zog er es vor zu arbeiten. Er diktierte einen weiteren Brief. Und noch einen.
    Durch den Mittelgang kam ein Sekretär getaumelt – einer jener seltsam gesichtslosen Männer, mit denen Regan sich zu umgeben liebte.
    »Anruf für Sie, Faktorist Regan«, keuchte der Mann. »Auf Ihrem Privatkanal.«
    »Meine Frau?«
    »Nein, Sir. Der Anruf kommt aus Washington!«
    »Vom Washingtoner Büro?« fragte Regan.
    »Nein, Sir. Washington! Das Weiße Haus!«
    »Oh. Gut.« Regan zog eine finstere Miene und drückte einen Knopf in der Armlehne des Sessels. Für einen Moment wirbelten und tanzten gelbe und grüne Streifen über den Bildschirm, dann erschien darauf das breite Gesicht des Präsidenten der Vereinigten Staaten.
    »Hallo, Tom. Wie behandelt dich das Vaterland?«
    Präsident Hammond lachte hohl. »Du hast einen wunderbaren
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