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Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt

Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt

Titel: Unsichtbar und trotzdem da - 02 - Unter der Stadt
Autoren: Boris Pfeiffer
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„Mir ist etwas Unheimliches passiert!“
    Ağan Enc rannte atemlos die Treppe herunter. Er konnte es kaum erwarten, endlich bei seinen Freunden Addi Felsfisch und Jenny Schneider zu sein. Die beiden saßen mit ihren Schulranzen auf den Knien auf einer der Wartebänke in der U-Bahn-Station Wittenbergplatz und sahen ihm ungeduldig entgegen.
    Jenny warf ihre langen blonden Haare zurück und zog einen Flunsch.
    „Das muss wohl so sein, so lange wie du uns hier hast warten lassen! Und zwar etwas sehr Unheimliches!“
    Ağan nickte stumm und stellte mit einem Seufzer seinen schweren Skateboard-Rucksack neben sich ab. Er war tatsächlich weit über eine Stunde zu spät.
    „Und?“, wollte Addi wissen. „Was war?“
    Ağan sah in die Neonröhre, die schräg hinter ihnen gespenstisch flackerte. Ihr Licht tauchte sein Gesicht in einen grünbleichen Schein.
    Er atmete einmal tief durch. Hier unten roch es nach altenBahngleisen, dem Schotter zwischen den Holzschwellen und abgestandener U-Bahn-Luft. Unterhalb der Bahnsteigkante huschte eine Maus durch das Gleisbett und verschwand dann irgendwo in einem Loch im Bahnsteigfundament. Doch statt zu antworten, schüttelte Ağan nur den Kopf.
    „Kannst du vor Schreck nicht mehr reden?“, fragte Jenny spitz. „Na gut, dann rate ich eben. Du warst so in Gedanken versunken, dass du vergessen hast, aus der U-Bahn auszusteigen. Und als du gemerkt hast, dass du viel, viel, viel zu spät kommen wirst, hast du dich aus Angst vor unserer gewaltigen Wut überhaupt nicht mehr hergetraut!“
    Jetzt schluckte Ağan. „Nein“, sagte er dann gedehnt. „Nein, das war es nicht. Aber ich sage euch, ich bin echt froh, dass ich euch überhaupt noch mal wiedersehe.“
    Addi sah erschrocken auf. „Haben dir deine Eltern verboten, dich mit uns zu treffen?“
    Ağan, Jenny und Addi kannten sich noch nicht lange, aber sie hatten vor Kurzem ihren ersten gemeinsamen Detektivfall erlebt und einen Museumsraub verhindert. Seitdem nannten sie sich die Unsichtbar-Affen. Von daher wusste Addi aber auch, dass Ağans Vater ziemlich streng sein konnte. Zum Beispiel wollte er nicht, dass sein Sohn ins Kino ging. Addi allerdings stand sehr auf Kino und wollte unbedingt zusammen mit Ağan in einige Fantasyfilme gehen, um sich mit ihm Monster anzugucken, für die sie sich beide interessierten.
    Ağan ließ sich zwischen Addi und Jenny auf die Wartebank fallen.
    „Nein, meine Freunde“, sagte er. „Mein Vater kennt euch beide zwar noch nicht, aber alles, was ich ihm über euch erzählt habe, findet er prima. Er glaubt, dass ihr beide viel Fantasie habt. Das gefällt ihm. Und meine Mutter ist sowieso eher locker. Wie alle Perserinnen.Nein, mir ist etwas absolut und ganz und gar Unheimliches passiert. Ich war gerade an einem Ort, den es gar nicht gibt!“

    Jenny prustete los. „Na logisch hast du geträumt, du Ober-Dschinn! Und zwar Spukgeschichten, wie immer. Von giftigen Drachenschwänzen, geheimen Geisterhöhlen und deiner Polizistenschwester, die dich in den Knast sperrt …“ Sie gluckste vergnügt. „Du kannst echt froh sein, dass wir auf dich gewartet haben, damit du uns wenigstens deine tolle Story erzählen kannst!“
    Ağan legte seine Hände flach zusammen und stützte das Kinn auf die Fingerspitzen.
    „Und du bist nicht sehr einfallsreich, was das Ausdenken von Träumen angeht, Jenny. Alles, was du eben aufgezählt hast, haben wir doch wohl bei unserem ersten Fall erlebt, oder?“
    Jenny sah Ağan immer noch lachend an. „Ja, aber das passiert so schnell garantiert nicht wieder.“
    „Was ich eben erlebt habe, ist wahr. Genauso wahr wie unser erster Fall. Ich habe nicht geträumt.“
    „Was ist denn nun passiert?“ Addi beugte sich vor und spuckte einen Blubber auf den grauen Boden.
    „Lass das sein!“, fuhr ihn Jenny an.
    Addi grinste. „Hast du das wieder von deiner Oma?“
    „Das ist völlig egal.“ Jenny rümpfte die Nase und strich entschlossen über ihren gepunkteten Minirock. „Wenn du mit mirbefreundet sein willst, spuckst du nicht neben mir auf den Boden. Das ist eklig!“
    „Mann ey!“, empörte sich Addi. „Wir sitzen hier seit hundert Jahren auf einem ranzigen U-Bahnhof und warten. Da kann ich ja wohl mal auf den Boden spucken. Sonst gibt’s hier nämlich leider gar nichts zu tun …“
    „Addi“, unterbrach ihn Ağan sanft. „Ich finde, Jenny hat recht.“
    Addi ließ sich rückwärts gegen die Lehne fallen. „Oh Mann, ihr seid ja schlimmer als meine
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