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Der Stolz der Flotte

Der Stolz der Flotte

Titel: Der Stolz der Flotte
Autoren: Alexander Kent
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La ß fallen Anker!
    Als an der Glocke im Vorderkastell sechs Glasen angeschlagen wurden, kam Captain Richard Bolitho unter der Kampanje hervor. Beim Kompaß blieb er einen Moment stehen. Der Steuermannsmaat am großen Doppelruderrad meldete eilig: »Nordwest zu Nord liegt an, Sir!« und schlug dann die Augen nieder, als Bolitho ihn ansah. Es ist, dachte Bolitho, als wüßten sie alle genau Bescheid, wie nervös und gespannt ich bin, und als wollten sie mich mit aller Gewalt aus dieser Stimmung herausreißen.
    Er schritt über das breite Achterdeck zur Luvseite hinüber. Ohne hinzusehen wußte er, daß seine Offiziere ihn beobachteten, Vermutungen über seine Laune anstellten, neugierig waren, wie sich dieser Tag wohl anlassen würde.
    Aber achtzehn Monate lang war das Schiff ununterbrochen auf See gewesen, und die Besatzung war, abgesehen von denen, die im Kampf gefallen oder ihren Verwundungen erlegen waren, noch die gleiche, die an jenem Oktobermorgen 1795 mit ihm ausgelaufen war: Sie hatten also reichlich Zeit gehabt zu begreifen, daß man ihn in diesen kostbaren ersten Minuten des Tages in Ruhe lassen mußte.
    Nasser Nebel hatte das Schiff fast die ganze Nacht hindurch verfolgt, während es langsam im Kanal vordrang, und war nun dicker denn je. Er zog in Wirbeln um die schwarze Schraffur der Takelage und hing wie Tau am Schiffsrumpf. Jenseits der Netze mit den sauber weggestauten Hängematten hob und senkte sich die See in einer breiten ablandigen Dünung; ihre Oberfläche, matt und bleifarben, blieb jedoch unter der schwachen Brise beinahe glatt.
    Ein leichter Schauer überfiel Bolitho; er verschränkte die Hände unter den Rockschößen und blickte zu den mächtigen Rahen hoch, über denen die Konteradmiralsflagge feucht und schwer vom Kreuzmast hing. Kaum zu glauben, daß dieser Himmel irgendwo auf der Welt klar, warm und freundlich war; an diesem Maimorgen hätte die Sonne eigentlich schon das Land berühren sollen, das immer näher kam. Sein Land: Cornwall.
    Er wandte sich um. Da stand Keverne, der Erste Offizier, sah ihn aufmerksam an und wartete offenbar auf den richtigen Moment.
    Bolitho rang sich ein Lächeln ab. »Guten Morgen, Mr. Keverne. Kein rauschender Willkomm, wie mir scheint.«
    Keverne war deutlich erleichtert. »Guten Morgen, Sir. Der Wind ist stetig Südwest, aber viel ist es nicht damit.« Er drehte nervös an seinen Rockknöpfen. »Der Master meint, wir sollten lieber erst einmal hier draußen ankern und abwarten, bis der Nebel steigt; es könnte nicht lange dauern.«
    Bolitho sah kurz zu dem kleinen rundlichen Segelmeister hinüber. Sein abgetragener schwerer Rock war bis an das Doppelkinn zugeknöpft, und in dem seltsamen Gegenlicht sah der Mann aus wie ein runder blauer Ball. Er war vorzeitig ergraut, beinahe weiß, und trug das Haar im Nacken zu einem altmodischen Zopf gebunden, so daß es an die gepuderte Perücke eines Gutsbesitzers erinnerte.
    »Na, Mr. Partridge«, Bolitho versuchte wieder, etwas Wärme in seinen Ton zu legen, »Sie sind doch sonst nicht so schüchtern vor einer Küste?«
    Partridge trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Bin noch nie in Falmouth vor Anker gegangen. Das heißt, noch nie mit einem Dreidecker.«
    Bolitho befahl dem Steuermannsmaaten: »Geht nach vorn und setzt zwei gute Lotgasten in die Rüsten. Das Lot braucht frischen Talg. Ich will keine falschen Meldungen hören!«
    Wortlos eilte der Mann davon. Bolitho war überzeugt, er würde wie alle anderen an Bord auch ohne besonderen Befehl wissen, was zu tun war, ebenso wie er selbst wußte, daß er das nur gesagt hatte, um Zeit zu gewinnen und über seine Motive nachdenken zu können.
    Warum ankerte er eigentlich nicht draußen, wie der Master vorgeschlagen hatte? Warum ging er immer näher an diese unsichtbare Küste heran? Wollte er damit zeigen, wie mutig er war? Oder war es einfach Eitelkeit?
    Vom Vorschiff kam der langgezogene Ruf des Lotgasten: »Sieben Faden!«
    Die Segel waren in ständiger leichter Bewegung, sie glänzten im Nebel wie geölte Seide. Wie alles an Bord troffen auch sie vor Nässe und füllten sich kaum in der flauen Brise, die achterlich von Backbord kam.
    Falmouth. Vielleicht war er deswegen so unsicher und verkrampft. Achtzehn Monate lang hatten sie erst Blockadedienst gefahren und dann die südlichen Zufahrtswege nach Irland überwacht. Von einer Woche zur anderen wartete man darauf, daß die Franzosen versuchen würden, in Irland zu landen und dort einen Aufstand zu
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