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Der Stolz der Flotte

Der Stolz der Flotte

Titel: Der Stolz der Flotte
Autoren: Alexander Kent
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Schiffszimmermann auf der
Hyperio
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gewesen und hatte in jener letzten furchtbaren Seeschlacht ein Bein verloren. Aber seine Kunstfertigkeit war ihm geblieben, und die Figur, die aus kalten blauen Augen nach vorn starrte, mit Schild und erhobenem Schwert, hatte das Wesen des Schiffes ein wenig verändert. Vielleicht sah sie dem Helden der Belagerung von Troja nicht sehr ähnlich, aber es reichte aus, um das Herz so manchen Feindes mit Furcht zu erfüllen, der sie sah und ahnte, was auf ihn zukam. Denn der mächtige Dreidecker repräsentierte eine Kampfkraft, mit der man rechnen mußte. In Brest von einer der besten Werften Frankreichs erbaut, besaß er alle modernen Verfeinerungen und Verbesserungen in Bau und Besegelung, die sich ein Kommandant nur wünschen konnte.
    Vom Vorsteven bis zur Heckreling maß das Schiff 225 Fuß, und in ihren zweitausend Tonnen Raum trug sie nicht nur hundert Geschütze, darunter die schweren Zweiunddreißigpfünder der Unterdeckbatterie, sondern auch über achthundert Mann Besatzung – Offiziere, Matrosen und Marine-Infanteristen. Sie konnte, wenn sie richtig geführt wurde, ein respektheischendes, ja vernichtendes Wort mitreden.
    Als sie in Dienst gestellt wurde, mußte Bolitho jeden Mann nehmen, den er kriegen konnte, denn der rund um die Uhr gehende Schiffsdienst erforderte eine Menge Menschen. Bleiche Schuldner und Taschendiebe aus den Gefängnissen, ein paar ausgebildete Seeleute von anderen im Dock liegenden Schiffen, und die übliche Mischung, die von den gefürchteten Preßkommandos eingebracht wurde. Denn die Zeiten waren hart, und die menschenhungrige Kriegsflotte hatte schon jeden Hafen, jedes Dorf durchsiebt und bejagt; und da man immer stärker mit der Möglichkeit einer französischen Invasion rechnen mußte, konnte es sich kein Kapitän leisten, noch groß zu wählen und auszusuchen, wenn er sein Schiff kampffähig machen wollte.
    Es hatte auch Freiwillige gegeben, meistens Männer aus Cornwall, die Bolithos Namen und Ruf kannten, doch waren viele darunter, die ihn nie im Leben persönlich gesehen hatten.
    Im Grunde war er mit der
Euryalu
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dienstlich ein gutes Stück vorwärtsgekommen, wie er sich damals oft gesagt hatte. Sie war ein bezieht sich auf das Gewicht des Geschosses.
    ›Pressen‹ nannte man die gewaltsame Rekrutierung zum Dienst auf Kriegsschiffen.
    großartiges und noch dazu neues Schiff. Außerdem war dieses Kommando sowohl eine offene Anerkennung seiner bisherigen Leistungen als auch das Sprungbrett zu weiterer Beförderung. Von so etwas träumte jeder ehrgeizige Marineoffizier; und in einer Laufbahn, bei der das Avancement oftmals vom Tode eines Ranghöheren abhing, mußte die
Euryalu
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Bewunderung und Neid bei denen erregen, die weniger Glück hatten.
    Doch für Bolitho bedeutete sie noch etwas mehr, etwas sehr Persönliches. Während er die Karibische See durchstreifte und dann zu jener letzten Schlacht in die Biskaya zurücksegelte, hatte ihn die Erinnerung an Cheney, seine Frau, gequält, die unterdessen in Cornwall gestorben war; er war in ihrer Todesstunde, als sie ihn am nötigsten gebraucht hätte, nicht bei ihr gewesen. Er hätte zwar nichts tun können, dessen war er sich bewußt. Die Kutsche war umgestürzt; Cheney war dabei ums Leben gekommen, und ihr ungeborenes Kind auch. Es hätte nichts genutzt, wenn er dabeigewesen wäre. Und doch ließ ihn der Gedanke daran nicht los, und er zog sich von seinen Offizieren und der Mannschaft so sehr zurück, daß er zu allem anderen auch noch unter seiner Einsamkeit litt.
    Und jetzt war er wieder zu Hause, in Falmouth. Das große, graue steinerne Haus wartete auf ihn wie immer, wie es auf alle anderen vor ihm gewartet hatte. Doch nun würde es ihm leerer denn je vorkommen.
    Aufstampfend nahm der vor der Kajütentür Posten stehende Marine-Infanterist Haltung an, die Augen starr auf einen Punkt über Bolithos Schulter gerichtet. Wie ein Spielzeugsoldat sah er aus mit seinem ausdruckslosen Gesicht und dem scharlachroten Uniformrock.
    Das Sonnenlicht stach durch die großen Heckfenster und warf zahllose Reflexe über die Täfelung und die dunklen Möbel. Der grauhaarige Sekretär des Admirals war damit beschäftigt, allerlei Papiere durchzusehen und sie in einem langen Metallbehälter zu verstauen. Er machte Miene aufzustehen, aber Bolitho schüttelte nur den Kopf und schritt langsam zur anderen Seite der Kajüte. Er hörte, wie sich der Admiral in seiner Schlafkammer nebenan bewegte, und konnte sich
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