Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
1
    Sie irrten durch die Steppe, seit Stunden schon – und sie waren diesem Höllenzirkel machtlos ausgeliefert. Manchmal fuhren sie große Kreise, was man an den schneebedeckten, massigen Kuppen des Ruwenzori-Gebirges sehen konnte, die einmal vor ihnen lagen, dann wieder hinter ihnen, und es half auch nichts, daß man den Fahrer Toyo Mibubu anschrie oder in den Rücken boxte; der kleine Bantu ließ das Steuer nicht los, sondern raste singend oder lallend weiter.
    Vor drei Tagen war man in Fort Portal aufgebrochen, um Tiere in freier Wildbahn zu fotografieren: vier Touristen, ein Reiseleiter und der farbige Fahrer Mibubu. Der Landrover, den sie gemietet hatten, war mit schwarzen und weißen Streifen wie ein dickes Zebra gestrichen.
    Mit einer Bombenstimmung waren sie abgefahren, hatten drei Tage lang die schönsten Tierfotos gemacht – Löwen beim Spiel, Giraffen, die Krach mit einem Strauß bekommen hatten, ein Nashorn, das ohne Warnung den Landrover angriff und schnaubend hinter ihm hergaloppierte … da werden die Verwandten und Bekannten später Augen machen, wenn man diese Aufnahmen vorführte!
    Und nun das! Es begann damit, daß Reiseleiter Bret Philipps, ein blonder, hagerer, schlaksiger Engländer, der in Ostafrika geboren war, plötzlich, wie angehaucht, einen Malariaanfall bekam und in einen Schwebezustand zwischen Fieberwahn und Apathie fiel. Gleichzeitig entdeckte die kleine Reisegesellschaft, daß Toyo Mibubu ein heimlicher Säufer war, der bei jeder Rast und auch während der Fahrt einen höllischen Schnaps soff, wie die anderen Wasser oder kalten Tee mit Zitrone.
    Jetzt, am vierten Tag, da Philipps fieberglühend und halb ohnmächtig hinten im Wagen lag, auf dem Stapel Decken und der zusammengelegten Zeltleinwand, nahm Mibubu keine Rücksicht mehr. Er kramte aus einem Versteck unter dem Landrover eine Tasche mit Flaschen hervor, stopfte einige in seinen um mehrere Nummern zu großen, schlotternden Khakianzug. Jetzt konnte er den Deutschen mal zeigen, wie man in Afrika mit zwei Promille Auto fährt.
    »Wir müssen zu einer Station!« sagte Doktor Stricker. Er war Arzt, hatte die halbe Welt bereits gesehen und konnte sich an ähnliche Fälle in Indien und Anatolien erinnern. »Die paar Chinintabletten, die ich ihm gegeben habe, zeigen überhaupt keine Wirkung. Philipps scheint stärkere Kaliber gewohnt zu sein. Wir müssen sofort zurück, sonst zerplatzt uns der Mann am Fieber!«
    »Aber wie?« Veronika Ruppl, die Architektin – eine junge, sportliche Frau in engen beigen Jeans und halbhohen Boots –, zeigte auf den singenden kleinen Bantu am Steuer. »Machen Sie das dem da mal klar!«
    »Wir müssen ihn dazu zwingen!«
    »Bloß das nicht!« Albert Heimbach, der Lebensmittelhändler aus Hannover, winkte mit beiden Händen ab. »Keine Gewalt! Wir sind Gäste dieses Landes. Man könnte es sofort anders auslegen.«
    »Isch hann üwer dreitausend Mark bezahlt, um Afrika zu erleben!« sagte Peter Löhres. Sein rheinischer Humor wurde durch Mibubus Betrunkenheit nicht gebremst. »Äwwer isch han nichts bezahlt, um im Kreis zo fahre … Doktor, da schwarze Kääl blose mer doch ömm.«
    Als habe er das genau verstanden, drückte Mibubu noch mehr aufs Gas und raste nun wieder den fernen Bergen zu. Der Wagen hüpfte, alle mußten sich irgendwo festklammern. Der fast ohnmächtige Philipps rollte hin und her und stöhnte laut. Aber sie fuhren jetzt wenigstens geradeaus, den sagenhaften Mondbergen entgegen, auf deren Gipfel, den Märchen nach, die Götter Afrikas ihre Heimat haben.
    »Vielleicht kommen wir so nach Ibanda«, sagte Doktor Stricker, der eine Autokarte studierte. »Gebe Gott, daß dort eine Missionsstation ist oder wenigstens ein Funkgerät, um Hilfe zu rufen.« Er beugte sich nach hinten zu Philipps. Der Engländer war überzogen mit klebrigem Schweiß, sein Körper glühte, der Atem kam stoßartig aus dem weitgeöffneten Mund. »Zehn Chinin, und keine Wirkung. Als ob er Bonbons schluckt.«
    Am Himmel zog der Abend herauf. Das Blau wurde grau, dann zerteilte sich die Sonne in goldene Streifen und überzog den Horizont mit einem immer stärker werdenden Rot, als flösse unablässig Blut in die Unendlichkeit.
    »Wenigstens schlafen wird er wohl«, sagte Heimbach müde und ängstlich. »Ein Neger fährt nicht gern nachts durch die Steppe.«
    Vor ihnen schritt gegen den blutenden Himmel eine kleine Giraffenherde durch das Land – langhalsige Silhouetten, wie ein Scherenschnitt auf rotem Papier. Eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher