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Der Stolz der Flotte

Der Stolz der Flotte

Titel: Der Stolz der Flotte
Autoren: Alexander Kent
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klaren Himmel abhoben. Die
Euryalu
s

machte kaum Fahrt, da nur noch Mars- und Klüversegel standen; der breite Rumpf stampfte leicht, als wolle er prüfen, wieviel Wasser er noch unterm Kiel hatte. Wer von der Mannschaft nichts zu tun hatte, spähte zur Küste mit den sauberen Häusern und den grünen Hügeln hinüber. Die Hügel waren mit winzigen Kühen gesprenkelt; unter den Mauern von Pendennis Castle grasten Schafherden.
    Stille hing über dem Schiff, nur vom Klatschen des Wassers gegen die Luvseite, vom taktmäßigen Quietschen der Takelage, vom Flüstern der Segel hoch oben unterbrochen. Der weitaus größte Teil der Besatzung würde nicht an Land gehen dürfen, das wußten die Männer ganz genau. Und doch war es wie ein Nachhausekommen; jeder Seemann empfand das so, selbst wenn er es sich nicht erklären konnte.
    Bolitho ließ sich von einem Midshipman ein Teleskop geben und studierte die Küstenlinie. Er verspürte das bekannte Ziehen im Herzen dabei. Ob wohl seine Haushälterin und Ferguson, sein Verwalter, wußten, daß er kam, und ob sie jetzt das langsame Näherkommen des Dreideckers beobachteten?
    »Also schön, Mr. Keverne, Sie können halsen.«
    Der Erste, der ihn genau beobachtet hatte, hob die Sprechtrompete, und die kurze Spanne Frieden war vorbei.
    »An die Leebrassen! Klar zur Halse!«
    Nackte Füße schurrten über das Deck, und die Luft erzitterte unter dem Quietschen der Blöcke und dem Schnarren der Fallen.
    Wenn man diese gut gedrillten Matrosen sah, konnte man sie sich kaum noch als jenen buntscheckigen Haufen vorstellen, der damals an Bord gekommen war. Selbst die Unteroffiziere fanden wenig Grund zum Schimpfen, als die Männer auf ihre Stationen flitzten; damals, als das Schiff in Dienst gestellt worden war, hatte es so viele Flüche und Prügel gegeben, daß von irgendwelcher Ordnung kaum die Rede sein konnte. Eine gute Mannschaft, fand Bolitho, wie sie sich ein Kapitän nur wünschen konnte.
    »Marsschoten los!«
    Wieselschnell legten die Männer auf den Rahen aus, und er sah ihnen mit einer Art Neid zu. Da oben zu arbeiten, manchmal zweihundert Fuß über Deck, hatte ihm in seiner Kadettenzeit jedesmal Übelkeit verursacht, und jedesmal war er verlegen und wütend darüber gewesen.
    »Hol an die Geitaue!« Keverne war schon ganz heiser; vielleicht machte es ihn nervös, daß ihm die ganze Stadt bei diesem Manöver zusah.
    Langsam, aber zielbewußt glitt die
Euryalu
s

auf ihren Ankerplatz zu; ihr Schatten schwamm auf dem ruhigen Wasser vor ihr her.
    »Leeruder!«
    Die Radspeichen knarrten, und das Schiff schwang widerstrebend in den Wind. Schon verschwand, wie von einer einzigen Kraft bewegt, die Leinwand von den Rahen.
    »Laß fallen Anker!«
    Laut platschend fiel der Anker neben dem Bug ins Wasser, und wie ein Seufzen ging es durch Schiffsrumpf und Takelage, als beide zum erstenmal seit Monaten am straffgespannten Ankertau zur Ruhe kamen.
    »Sehr schön, Mr. Keverne. Sie können mein Boot klarmachen und dann Kutter und Jolle aussetzen lassen.«
    Bolitho wandte sich ab – auf Keverne konnte er sich durchaus verlassen. Er war ein guter Erster; allerdings wußte Bolitho weniger von ihm als von irgendeinem seiner früheren Offiziere. Das war zum Teil seine eigene Schuld, zum Teil lag es aber auch an der zusätzlichen Arbeit, die ihm die Krankheit des Admirals verursacht hatte. Vielleicht war es auch ganz gut so für sie beide, dachte Bolitho. Die zusätzliche Verantwortung, die Notwendigkeit, sich immer intensiver mit der strategischen und taktischen Führung nicht eines, sondern mehrerer Schiffe zu befassen, hatten ihn so in Anspruch genommen, daß ihm nicht viel Zeit zum Nachgrübeln über den Tod seiner Frau geblieben war. Auf der anderen Seite mußte Keverne, da Bolitho mit den Angelegenheiten des Admirals beschäftigt war, mehr Verantwortung übernehmen, was ihm sehr zustatten kommen würde, wenn er einst sein eigenes Schiff hatte.
    Keverne war außerordentlich tüchtig; er hatte nur einen Fehler: während der Reise hatte er mehrfach kurze Ausbrüche von Jähzorn gehabt. Er war Ende Zwanzig, groß, schlank und sehnig, tiefbrünett und auf eine beinahe zigeunerhafte Art gutaussehend. Mit seinen dunklen, blitzenden Augen und außerordentlich weißen Zähnen mußte er Glück bei Frauen haben, dachte Bolitho.
    Doch als der Admiral, den Hut in der Hand und mit seinen blassen Augen in die Sonne blinzelnd, an Deck kam, dachte Bolitho nicht mehr an Keverne. Sekundenlang sah er zu, wie die
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