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Schwerter und Eiszauber

Schwerter und Eiszauber

Titel: Schwerter und Eiszauber
Autoren: Fritz Leiber
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selbst verheimlichte – die dünnen Handgelenke des wohltätigen Monarchen von Lankhmar wurden beim unschuldigen Spiel von den nadelscharfen Krallen seiner Lieblingskatze geritzt, Krallen, die am Abend zuvor von einem dünnasigen eifersüchtigen Neffen des Herrschers mit dem schnellwirkenden Gift der seltenen Herrscherschlange des tropischen Klesh bestrichen worden war.
    Leicht schuldbewußt nahm sich der Tod vor, die verbleibenden vier Kandidaten auf jeden Fall improvisiert an sich zu binden, besonders die beiden Helden. Im Nu hatte er eine Vision Lithquils, des Verrückten Herzogs von Ool Hrusp, heraufbeschworen, der im Fackelschein auf einem hohen Balkon stand und dabei zusah, wie drei Berserker aus dem Norden mit gezackten Krummsäbeln auf den Tod gegen vier Ghuls kämpften, die durchsichtige Haut und rosa Skelette zur Schau stellten und ihrerseits Schwerter und Streitäxte schwangen. Es ermüdete Lithquil niemals, solche Auseinandersetzungen anzuzetteln und bis zu ihrem blutigen Ende zu verfolgen, eine Übung, die außerdem einen Großteil der zehn Krieger lieferte, welche vom Tod für die Vernichtung ausersehen worden waren.
    Nur vorübergehend bedrückte den Tod der Gedanke an die guten Dienste, die Lithquil ihm im Laufe vieler Jahre geleistet hatte; auch die besten Diener müssen eines Tages in Pension gehen oder das Gnadenbrot essen, und in keiner Welt, die dem Tod bekannt war, und schon gar nicht in Nehwon, herrschte ein Mangel an Todbringern – bereitwillig oder leidenschaftlich ergeben, unglaublich standhaft und exquisit-exotisch. So kam es, daß der Tod, als er das Bild wahrnahm, bereits seinen befehlenden Gedanken losschickte und der hintere Ghul die unsichtbaren Augen hob, bis sich die rotumränderten schwarzen Schädelöffnungen auf Lithquil richteten. Ehe die Wächter links und rechts des Herzogs ihre schweren Schilde zum Schutze ihres Herrn bewegen konnten, war die kurze Axt des Ghuls, bereits zu einem weit ausholenden Schlag erhoben, durch die sich schließende Lücke gewirbelt und hatte sich in Lithquils Nase und Stirn gegraben.
    Ehe Lithquil zusammensinken konnte, ehe einer der Zuschauer einen Pfeil auf die Sehne legen konnte, um den Mörder zu töten oder in Schach zu halten, ehe die nackte Sklavin, die dem überlebenden Gladiator als Preis winkte – ein Preis, der allerdings selten in Anspruch genommen wurde –, Atem holen und schrill losschreien konnte, hatte sich der magische Blick des Todes bereits auf Horborixen gerichtet, auf die Zitadellenstadt des Königs der Könige. Doch nicht dem Innern des Großen Goldenen Palasts galt sein Interesse, auch wenn er einen vagen Eindruck davon bekam, sondern dem Innern einer heruntergekommenen Werkstatt, in der ein sehr alter Mann auf seiner primitiven Pritsche lag und sich an die Decke starrend wünschte, das kühle Morgenlicht, das durch Fenster und Türspalten hereindrang, möge nie wieder die Spinnweben stören, die über ihm gespenstische Bögen und Pfeiler bildeten.
    Dieser Greis, der Gorex hieß, war Horborixens – und vielleicht ganz Nehwons – geschicktester Fachmann für Edelmetalle und andere Schmiedearbeiten und hatte zu seiner Zeit zahlreiche raffinierte Apparate erfunden. Inzwischen jedoch hatte er den Spaß an seiner Arbeit und überhaupt am Leben verloren, denn vor gerade zwölf Monden war seine Urenkelin Eesafem, seine letzte Nachfahrin und gelehrigste Schülerin, ein schlankes, hübsches, kaum erwachsenes Mädchen mit Mandelaugen, die einen stechenden Blick aussenden konnten, von den Haremshäschern des Königs der Könige entführt worden. So war seine Schmiede eiskalt, auf seinen Werkzeugen sammelte sich der Staub, und er hatte sich gänzlich dem Kummer hingegeben.
    Er war in der Tat so traurig, daß der Tod nur noch einen Tropfen seines eigenen melancholischen Humors in die schwarze Galle geben mußte, die langsam und elend durch Gorex' müde Adern pulsierte, woraufhin dieser schmerzlos verblich und eins wurde mit seinen Spinnweben.
    So! Der Tod hatte mit seinen langen, schlanken, perlmuttartigen Fingern nur zweimal schnalzen müssen, und der Aristokrat und der Handwerker waren abgehakt. Nun standen nur noch die beiden Helden auf der Liste.
    Noch zwölf Herzschläge.
    Der Tod war der festen Überzeugung, Helden sollten (wenn auch nur, um das Gesicht zu wahren) auf das melodramatischste von der Bühne des Lebens abtreten, und nur jedem fünfzigsten dürfe um der Ironie willen ein Tod in hohem Alter und zwischen den Bettdecken
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