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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Autoren: Anni Buerkl
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ihre Hütte. Man tolerierte den Spleen
der alten Frau von offizieller Seite, obwohl sie sich illegal in der Wildnis
niedergelassen hatte. Sie kamen eben doch nicht an ihrer Macht vorbei, auch
wenn sie die alte Frau belächelten.
    Während die Ältere Tee aus Pflanzen und getrockneten Wurzeln
zubereitete, befahl sie Berenike zu erzählen. Berenike nahm den Geruch von
Thymian wahr und noch etwas anderes, etwas Bitteres. Jetzt nur nicht
davonlaufen, eine Erleuchtung kam nicht auf einem Spaziergang.
    Sie setzten sich auf den gestampften Erdboden. Das Häuschen
war mehr eine Hütte, windschief, aber es hielt. Hielt alles aus. Selbst
Berenikes Fragen: »Fürchten Sie sich nicht vor Konkurrenz?« Die Frage war ihr
herausgeschlüpft, bevor sie darüber nachgedacht hatte.
    »Konkurrenz? Das Richtige wird geschehen. Sei unbesorgt. Aber
deswegen bist du nicht hier, Kind.«
    Keine Frage.
    »Du willst die Hand erkennen, die …«
    »Woher wissen Sie …?«
    »Hände sprechen wie Gesichter.« Madame Montego strich mit
rauen Fingern über ihren Handrücken. »Eine helle Person beeinflusst dein
Karma«, flüsterten die trockenen Lippen, »hochaufragend.« Dann stand Madame
Montego auf und verschwand in ihrem Häuschen. Schlug die Tür zu. Berenike
wartete, aber die Frau kam nicht zurück. Die Audienz war beendet.
    Langsam trat sie den Rückweg an. Ein Gedankenstrom, ein
Gefühlswirrwarr. Sie grübelte, wen Madame Montego gemeint haben mochte. Sofort
war er vor ihrem inneren Auge erschienen. Als hätte er immer noch ein Recht auf
sie. In Gedanken versunken erreichte sie die Abzweigung, wo sie das Motorrad
geparkt hatte. Sie startete und wollte in den Ort fahren, als ihr Ragnhild
einfiel. Sie wählte die Telefonnummer der Freundin, aber niemand meldete sich.
    Also bog Berenike auf die Straße Richtung Sommersbergsee ein,
um nach ihr zu sehen. Schwimmen wäre jetzt schön, doch dazu blieb keine Zeit,
leider. Das weiche Wasser des Hochmoorgewässers war immer eine Verlockung.
Berenikes Gedanken jagten quälend durch ihren Kopf. Hoffentlich hatte Madame
Montego nichts in den Tee gemischt, eine bewusstseinserweiternde Substanz
womöglich. Aber nein, sie vertraute dem Medium. Ob die alte Frau wirklich
verstanden hatte, dass Berenike ihre Hilfe in einem ungeklärten Todesfall
benötigte?
    Sie beschwor erneut die Bilder des vorigen Abends herauf, das
Gesicht des Toten, seine schwarzen Haare mit den grauen Strähnen. Suchte sich
an die Anwesenden zu erinnern. Konnte Madame Montego mit der hoch aufragenden
Gestalt die Norwegerin gemeint haben? Aber Ragnhild war rothaarig. Dass
Erleuchtete immer in Rätseln sprechen mussten, Berenike brauchte konkrete
Namen. Ihre intuitiven Fähigkeiten waren besser entwickelt als die
anderer – dachte sie zumindest – aber das half ihr jetzt nicht
weiter.
    Endlich näherte sie sich Ragnhilds Haus, das unweit des
Alpengartens lag. Einige Busse parkten bereits davor. Hier hatte sich Berenike
mit Kräuterwissen vertraut gemacht, mit den vielen Arten Minze, mit
Johanniskraut und anderen Frauenkräutern. Damals hatte sie begonnen, Heilpflanzen
zu sammeln – natürlich nicht im Alpengarten. Der war ein Besuchsgarten, in
den man, of course, Eintritt zahlen musste.
    Die Aussicht auf das Gespräch mit Ragnhild machte Berenike
ein wenig nervös. Sie überlegte, ob ihre Mitarbeiterin letzte Nacht wirklich
schon weg gewesen war, als Berenike den Toten entdeckt hatte. Vielleicht hatte
sie die Freundin in dem Durcheinander überhört oder, noch schlimmer, vergessen.
Sie hoffte auf eine harmlose Erklärung, Regelschmerzen zum Beispiel oder eine
Migräneattacke. Doch da grummelte etwas in ihr, es war die Frage, was sie über
die norwegische Walküre überhaupt wusste. Ragnhild war promovierte
Historikerin, ihr Fachgebiet war nordische Geschichte. Berenike überlegte, ob
eine Akademikerin zu einem Mord fähig wäre, wenn es denn einer war. Noch wusste
man nicht, woran Rabenstein gestorben war. Bei einem Giftmord wäre körperliche
Überlegenheit nicht vonnöten. Man musste nur über Gift Bescheid wissen und das
Mittel dem Opfer in einem unbeachteten Moment unterschieben. Ob man Ragnhild so
etwas zutrauen konnte …? Wer hatte außer ihr und Berenike Zugang zur
Teeküche gehabt? Jeder, der es darauf anlegte. Damn, das musste sie sich
eingestehen.
    In Ragnhilds Garten lagen Holz und Hacke auf einem großen
Block, als hätte jemand gerade eben die Arbeit unterbrochen.
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