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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Autoren: Anni Buerkl
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Bitte nicht!, sie
schickte ein stummes Stoßgebet an wen auch immer.
    »Danke.« Der Besucher zog eine Packung Marlboro aus der
Brusttasche, das gab leider Punkteabzug. Sie deutete zur Tür. »Bitte rauchen
Sie draußen. Danke.« Ein irritierter Blick traf sie. Ihre Atemübung hatte sie
sowieso unterbrechen müssen, da machte es auch nichts, dass sich der feine
Pinkel seine Zigarette in der Tür anheizte.
    Berenike griff nach einer der Erdbeeren, die in silbernen
Körbchen herumgereicht wurden. Während ihre Zunge das rote Fruchtfleisch
zerdrückte und sich der süßliche Saft in ihrer Mundhöhle verteilte, ging sie
vor die Tür, um zu telefonieren. Sie wählte eine Nummer und presste das winzige
Handy ans Ohr. Sie hörte es läuten, dann Motorradlärm.
    »Frau Roither? Heil!« Wie so oft zuckte Berenike bei dem
politisch belasteten Grußwort zusammen. Doch in manchen Gegenden war es völlig
harmlos und gängig, so vielleicht auch hier. Sie als Neo-Ausseerin wusste das
nicht genau, also verkniff sie sich einen Kommentar. Eine Maschin’ à la Marlon
Brando war vor ihr zum Stehen gekommen. Der Fahrer trug eine schwarze
Motorradjacke zur traditionellen Ausseer Lederhose. Er hielt ihr seine Hand zum
Gruß hin, eine riesige Pranke. Sieghard Lahn himself, breitbeinig,
erdverwachsen und 40 Minuten zu spät.
    Sie sah auf. Und erstarrte. Diese Augen! Starr, herablassend.
Sahen sie, und sahen sie irgendwie nicht. Erinnerten an …, nicht daran
denken.
    Oooom!
    »Darf ich Sie in meinen Salon …«
    Lahn bewegte sich bereits zielsicher an ihr vorbei in Richtung
Podium. Sein linkes Bein war unwesentlich kürzer als das rechte, aber das
verstärkte seine Attraktivität nur noch. Seine Schritte stanzten Töne aus dem
Boden. Berenike spürte, wie ihre nackten Schenkel unter dem Gewand beim Gehen
aneinanderrieben.
    »Heil Euch!«, rief Lahn in die Menge. Seine große, schwere
Gestalt füllte den Raum. In Berenike löste er das Gefühl aus, plötzlich nur
noch halb so groß zu sein wie sonst, obwohl sie mit ihren 1,78 Metern nicht
gerade klein war. Er setzte sich.
    »Ein Getränk, Herr Lahn?« Sie trat neben ihn, nahm seinen
Körpergeruch wahr, den Motorradgeruch. »Vielleicht ein alkoholfreies Biobier?«
    Alkoholfrei, wie unpassend. Er winkte ab, griff nach dem
Wasserglas. Lahns halblange Locken waren dramatisch gerauft, brünett, sie konnten
auch als blond durchgehen. Groß, üppig war seine Figur. Kein bisschen fett.
Eher kraftstrotzend. Muskeln an Armen und Beinen. Seine 40 Jahre sah man ihm
kaum an.
    »Er ist in den Metropolen der literarischen Welt zu Hause, in
seiner Heimat allerdings tritt er viel zu selten auf. Begrüßen Sie mit mir«, im
Raum klirrte Geschirr, ausgerechnet jetzt!, »den bekannten Dichter Sieghard
Lahn.« Der Autor nickte ungeduldig, setzte mehrmals zum Sprechen an. »Sieghard
Lahn wird heute aus seinem neuen Büchlein lesen. Bitte, Herr Lahn, Sie haben
das Wort!«
    Lahns Brustkorb füllte sich mit Atem. Etwas Schwarzes auf der
Haut seines Armes, es sah aus wie ein tätowiertes Kreuz, oder vielleicht war es
eine Narbe. An seiner Hand blitzte es silbern auf – Schmuck oder –
nein! Einer wie Lahn würde doch nicht …? Sie konnte nicht glauben, dass er
wirklich einen Schlagring besaß. Sie musste sich geirrt haben, eine
Sinnestäuschung, jawohl.
    »Gevatter Großvater!«, donnerte die Dichterstimme durch den
Raum.
    Radikal-spirituelle Poesie mit historischem Tiefgang, so
hatte Lahn sein Werk bei der Vorbesprechung angepriesen. In seinen Worten
mischten sich Sehnsucht mit Zorn, Achtung mit Aufbegehren. Auf die Huldigung
des Ahnen folgten ›leuchtende Linien ins Heute‹. Entsetzen und Erwachen schlugen
in einer Woge zusammen, gaben ihm Auftrieb zu weiteren Attacken. Wie bewusst er
sich seines Körpers war. Lahn zog das Publikum an, Freunde und Feinde standen
sich leidenschaftlich gegenüber. In den Zeitungsartikeln war von hymnischer
Begeisterung bis zu vernichtender Abscheu alles vertreten. Auf jeden Fall
bedeutete sein Auftritt einen Gewinn für das Lokal. Hoffentlich hatten sie
genügend Brötchen vorbereitet.
    Endlich war Pause. Die Menschen drängten durch den
angrenzenden Teesalon zur Eingangstür, um ins Freie zu strömen. Lahn ordnete
seine Unterlagen. Eine ältere Frau sprach ihn an, er nickte, sie wandte sich
ab.
    Berenike servierte im Garten unter der alten Linde. »Wo ist
nur der Meister?«, hörte sie jemanden fragen. Der Dichter
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