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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1)
Autoren: Bernhard Aichner
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Eins
    Drei nackte Leiber, wie sie einfach daliegen und sich nicht rühren, nur die Körper im frischen Schnee. Wie die Sonne auf sie fällt, wie sie sich räkeln, ihre Haut am Boden. Um sie herum die Friedhofsmauer, dahinter hunderte Gräber. Der kleine Garten, das Friedhofswärterhaus, das Pfarramt, Baronis Villa. Wie sie ihre Glieder wohlig von sich strecken, Hanni, der Lehrer und Max. Es ist kalt, die Tür der Blocksauna steht offen. Ein kleiner Holzbau, aus einem Kamin kommt Rauch.
    Max genießt die Kälte, die Wärme in sich, sein Herz, wie es rast, er genießt den Sonntagvormittag in seinem Garten. Hannis Brüste neben ihm, das alt gewordene Fleisch seines Volksschullehrers, der blasse, schmächtige Körper. Zusammen haben sie die Blocksauna gebaut, nachdem das Hallenbad geschlossen hatte. Zuerst war es nur ein Selbstbausatz auf ebay, dann ein LKW voll Holz, dann das Paradies, in das sie sich bei jeder Gelegenheit flüchteten. Die Saunarunde. In nur zwei Tagen hatten sie ihr neues Glück errichtet, hatten Bohlen über Bohlen gelegt, genagelt, gesägt, zusammen getrunken und gelacht, wenn Stein aus seinem Fenster schrie.
    Stein war gegen die Sauna. Als er begriff, was unter seinem Schlafzimmerfenster vor sich ging, war das Fundament bereits fertig. Max schlug einen Nagel tief in die Polarfichte, Stein stand plötzlich hinter ihm.
    – Was soll das, Broll?
    – Guten Tag, Herr Pfarrer.
    – Was machen Sie da?
    – Ich nagle.
    – Das Fundament, das ganze Holz, ich will nicht annehmen, dass es das wird, was ich mir denke.
    – Ein kleiner Tipp: Es hat nichts mit Jesus zu tun.
    – Broll.
    – Stein.
    – Sie bauen eine Sauna.
    – Korrekt.
    – Im Friedhofsgarten.
    – Und?
    – Das ist pietätlos, Broll.
    – Pietätlos?
    – Die Toten, Broll.
    – Liegen da drüben.
    – Sie hören sofort damit auf.
    – Sie sollten jetzt besser gehen, Stein.
    – Sie werden sich hier nicht entblößen, vielleicht gar nackt durch den Friedhofsgarten laufen. Das werden Sie nicht tun, Broll.
    – Das ist mein Garten, Stein, mein Garten.
    – Und mein Friedhof.
    – Meine Sauna.
    – Keine Sauna, Broll. Nicht hier.
    – Doch, Stein, hier.
    – Das werden wir ja noch sehen.
    Stein ging. Max hämmerte weiter, die anderen hatten schmunzelnd zugehört und dabei weiter ein Stück Holz nach dem anderen an seinen Platz gelegt. 36 Stunden später goss Hanni das erste Mal auf, nackt liefen sie durch den Garten, tranken, lachten. Stein stand oben hinter seinem Vorhang und schaute nach unten. Damals. Auch jetzt wieder. Zwei Jahre später sind ihm die nackten Körper unten im Schnee immer noch Dornen in den Augen. Wie er das Fenster aufreißt und mit wütenden Augen nach unten schreit: Nicht am Sonntagvormittag, Broll.
    Er lehnt sich weit aus dem Fenster, sein Kopf ist rot vom Sonntagsmesswein. Er starrt die Beine an, die Hände, Arme, Schenkel. Immer wieder schaut er weg, kippt seinen Kopf Richtung Himmel, immer wieder kehren seine Augen zu den Nackten zurück, zu Hanni, sie bleiben auf ihr liegen, auf ihrer Haut.
    Max dreht leicht seinen Kopf, schaut nach oben. Langsam hebt er seine Hand und winkt, ein kleines Lächeln ist auf seinen Lippen, die Wintersonne in seinem Gesicht. Er blinzelt, streckt sich, Hanni schaut ihn an. Max erinnert sich daran, an die gemeinsame Zeit, er sieht es in ihren Augen, wie sie sich immer noch danach zurücksehnt, ihn zurückhaben will. Gestern, auch jetzt noch, immer. Hanni und Max.
    Wie sie lächelt, wie Max beiläufig zurücklächelt, wie sein Blick wieder nach oben zum Pfarrer geht. Er überlegt, ob er ihn ignorieren soll, er bleibt liegen, spürt, wie sein Körper langsam auskühlt, er weiß, dass er es ihr wieder sagen muss. Dass sie damit aufhören soll, dass es nichts bringt, dass es nicht gut ist, wenn alles wieder von vorne anfängt, dass es vorbei ist. Er spürt ihre Blicke, die von Stein. Max steht auf.
    Stein ist der zweite Pfarrer, den Max begleitet, den er erträgt, von dem er sich erklären lassen muss, was sich gehört und was nicht. Steins Vorgänger hat zumindest an manchen Tagen Spaß verstanden, Stein selbst tut das nicht. Er ist der Vollstrecker des Herrn, der Richter über Gut und Böse. Max spürt seine Verwünschungen täglich in seinem Rücken, den Hass, der aus dem kleinen dicken Mann kommt. Max schreit nackt zu ihm hinauf.
    – Was gibt es heute zu Mittag, Stein?
    – Broll, ziehen Sie sich an.
    – Wie war die Messe?
    – Ich kann das nicht länger dulden, Broll. Es reicht. Sie ziehen
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