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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112
Autoren: Christian Seifert , Christian
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»Die Feuerwehr. Der Rettungsdienst. Grüß Gott!«
    Würden Sie mitten in der Nacht den Feuerwehrnotruf 112 anrufen, weil Sie plötzlich nicht mehr wissen, wie man einen Heizkörper abdreht? Nein, das würden Sie wohl nicht. Weil Sie denken, dass man die Disponenten der Münchner Berufsfeuerwehr, die den Notruf 112 bedienen, mit solchen Lappalien nicht belästigen darf. Für eine alte Dame jedoch war genau das eines Nachts ein Riesenproblem. Und darum tat sie – aus ihrer Sicht – genau das Richtige. Sie wählte den Notruf 112 und bat um Hilfe. Die bekam sie auch. Denn genau dafür sind wir da. Für die großen und die kleineren Nöte der Bürger dieser Stadt. Es muss nicht erst die Küche in Flammen stehen, der Kollege mit einem Herzinfarkt umfallen, die Stromversorgung der halben Stadt zusammenbrechen oder Säure im Keller auslaufen. Wir löschen mit der gleichen Selbstverständlichkeit auch Papierkörbe, suchen verschollene Oktoberfest-Gäste, retten Betrunkene aus den unmöglichsten Situationen, fangen Enten, Eichhörnchen und Waschbären, beruhigen kleine Kinder und hysterische Mütter, sprechen notfalls alle Sprachen dieser Welt und lenken ganz nebenbei noch den gesamten Rettungsdienst einer Großstadt.
    Es war mir wahrlich nicht in die Wiege gelegt, eines Tages Lagedienstführer in einer der größten Integrierten Leitstellen Deutschlands zu werden. Weder mein Großvater noch mein Vater, nicht einmal ein entfernter Verwandter hatten sich jemals in der Freiwilligen Feuerwehr unserer Kleinstadt engagiert. Ich jedoch, der kleine Christian, schlug da irgendwie aus der Art. Solange ich denken kann, träumte ich davon, endlich zwölf Jahre alt zu werden und der Jugendfeuerwehr meiner Heimatstadt Erding beitreten zu dürfen.
    Der große Tag kam – und ich weinte. Quasi über Nacht war nämlich das Eintrittsalter von zwölf auf 14 Jahre hochgesetzt worden. Und ich war wieder draußen. Meine Mama jedoch konnte das heulende Elend nicht lange mitansehen und ließ ihre Beziehungen spielen. Ein Erdinger Löschmeister legte schließlich beim Kommandanten ein gutes Wort für mich ein. Und so kam der 6. November 1978, ein Montagabend. Ich werde ihn nie vergessen. Mein erster Übungsabend! Thema: tragbare Feuerlöscher. Auf dem Heimweg platzte ich fast vor Stolz.
    Mein Sohn Leonhard ist elf Jahre alt und – genauso wie ich seinerzeit – nicht mehr zu halten. Hartnäckig nervte er monatelang den Erdinger Feuerwehrkommandanten, bis er ihm schließlich das Versprechen abgeknöpft hatte, ihn im zwölften Lebensjahr mitmachen zu lassen. Leonhard ist seit dem 1. Januar 2013 stolzes Mitglied der Jugendfeuerwehr Erding und ich erkenne mich in ihm wieder.
    Die Feuerwehr bestimmt mein Leben und das meiner Familie. Auch meine Ehefrau Petronilla arbeitet als Disponentin in der Integrierten Leitstelle Erding. Unsere Tochter Veronika (13) zeigt derzeit noch keine Blaulichttendenzen. Aber das kann sich vielleicht noch ändern.
    Im ursprünglichen Beruf bin ich Feinmechaniker. Doch ich habe nie bereut, dass ich 1989 zur Flughafenfeuerwehr München-Riem wechselte und 1991 von dort den Sprung zur Berufsfeuerwehr München machte. Sieben glückliche Jahre lang sammelte ich wertvolle Berufserfahrungen auf der schönsten Münchner Feuerwache, mittendrin im lebendigen Studenten- und Künstlerviertel Schwabing. Doch ich wollte weiter, machte meinen Hauptbrandmeister und fand mich – zunächst unfreiwillig – 1998 als Disponent in der neuen Integrierten Leitstelle wieder.
    Der Anfang dort war sehr schwierig. Wir kämpften mit der neuen Technik, alle litten unter geradezu unverantwortlich langen Dienstzeiten. Es gab Momente, in denen ich mich fragte, wie lange ich das noch durchhalten würde. All das ist glücklicherweise längst Geschichte.
    Tag für Tag, Nacht für Nacht, 365 Tage im Jahr und natürlich rund um die Uhr sind wir Disponenten der Integrierten Leitstelle für die Bürger zu sprechen. Etwa 3000 Münchner vom Greis bis zum Kind wählen jeden Tag den Notruf 112. Und nie weiß man, was sich hinter dem nächsten Anruf verbirgt. Vielleicht ist es nur eine kurze Anfrage, vielleicht steckt jemand im Aufzug fest oder ein Spaßvogel testet unsere Schlagfertigkeit. Doch es könnte sich genauso gut um ein ernst zu nehmendes medizinisches Problem, einen Unfall, ein Kind in Lebensgefahr oder ein Feuer im Hochhaus oder in der U-Bahn handeln. Wir wissen es nie. Und genau das macht unsere Arbeit so spannend, sehr anstrengend und zuweilen wirklich
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