Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Autoren: Anni Buerkl
Vom Netzwerk:
bestand, durfte fast alles beim Alten bleiben. In dem Raum sah es genauso
aus wie gestern nach dem abrupten Aufbruch der Leute. Ein umgeworfener Sessel,
Teekannen am Buffet. Ein Blatt Papier lag auf dem Boden. Und diese rote –
blutrote …
    Berenike griff nach einer silbernen arabischen Teekanne. Tee
aus Assam, das war das Richtige für heute, um wieder halbwegs zu den Lebenden
zu zählen. Viele Leute fanden diesen Tee aus dem Nordosten Indiens zu intensiv,
doch Berenike mochte genau das. Sie füllte die grauschwarzen, stark malzig riechenden
Teeblätter in einen Filter und schaltete den Wasserkessel ein. Heute würde sie
wahrscheinlich viel Zeit haben. Sie stöhnte angesichts der liegen gebliebenen
Arbeit auf ihrem Schreibtisch. Vor der Monatsabrechnung wollte sie am liebsten
flüchten. Doch auch solche Aufgaben zählten zum Alltag einer Unternehmerin. Sie
flüchtete in den Waschraum. Der Blick in den Spiegel war schockierend. Das Auge
wirkte, wenn das möglich war, noch schiefer, umrahmt von dunklen Ringen. Na,
bravo.
    In dem Moment bimmelte die Türglocke und verriet den ersten
Gast des Tages. Berenike eilte hinaus. Ihr Blick flog zu den Sitzplätzen.
Einsam standen die schwarzen Sessel um die Tische versammelt. In der hintersten
Ecke unter dem Fenster saß Revierinspektor Kain mit noch einem Polizisten.
Natürlich, die Polizei, es ließ sich nicht vermeiden. Ein Todesfall im Salon,
das hatte ihr gefehlt, jetzt wo sie sich mit dem Lokal einen gewissen Namen
gemacht hatte. Ein Teesalon mit literarischem Programm – bingo, thats it!,
hatte sie gedacht, als sie bei ihrem sogenannten Urlaub von einem leer
stehenden Lokal erfahren hatte. Urlaub, ha! Als ob sie nach jenem Ereignis
beruflich nicht sowieso ins Off geschlittert wäre.
    Als Liebhaberin der britischen Inseln hatte sie in der Gegend
ordentlichen Tee wirklich vermisst. Ein Salon würde zu den berühmten
literarischen Sommerfrischlern von früher passen. So hatte sie vor sich
hingeträumt und sich an die Umsetzung gemacht. Man hatte Berenike jedoch bis
zuletzt lieber geschnitten. Erst bei der Lesung von Sieghard Lahn war etwas wie
Interesse aufgekommen. Weil Berenike es geschafft hatte, den
berühmt-berüchtigten Poeten zu engagieren – dank ihrer Verbindungen von
früher. Einzig Ragnhild hatte von Anfang an zu Berenike gehalten. Hatte sich
mit ihr die Gestaltung ausgemalt, Möbel geschleppt und ihr die Eigenheiten der
Ausseer aufgezählt. Wie sehr sie ihren eigenen Kopf hätten. Ragnhild stammte
aus Oslo, sie kannte das Nicht-Dazugehören, das Dazugehören-Wollen. Sie wusste,
wie schwer das war. Es war eine Art Freundschaft entstanden. Ragnhild war
wenigstens eine Zeit lang mit einem Einheimischen zusammen gewesen. Berenike
hingegen lebte allein. Und das war gut so. Hatte sie zumindest bis vor Kurzem
gedacht. Vielleicht kam sie wirklich über ihr Erlebnis hinweg.

     
    Sie zupfte den Sari zurecht. »Guten Morgen, Herr
Inspektor!«
    »Fräulein Berenike, guten Tag!« Lässig zurückgelehnt, saß
Inspektor Kain in seiner neuen blauen Uniform da. »Das ist Inspektor Gerbl«,
stellte er den jungen Mann neben sich vor. Der nickte ihr grüßend zu.
Längliches Gesicht, hellbraune Haare, der Schnitt etwas herausgewachsen.
»Kollege Gerbl wird protokollieren«, ergänzte Kain.
    Im hinteren Bereich des Salons luden Sofas und Sitzsäcke dazu
ein, es sich gemütlich zu machen. An den in hellgrün gestrichenen Wänden hatte
Berenike Fotografien mit Tee-Motiven aufgehängt: Teepflanzen, eine Plantage mit
Pflückerin, britischer High Tea.
    Der ältere Polizist lächelte sie an und hielt seine Arme eng
am Körper verschränkt. Kain war ok, er kam öfter hierher. Sie glaubte, ihm
trauen zu können. Es war nicht wie damals, als ihr niemand geholfen hatte. Was
jedoch mit Gerbl war, wer weiß. Und jetzt – es würgte Berenike im Hals,
wenn sie an den toten Journalisten dachte. Vielleicht war er doch eines
natürlichen Todes gestorben! Man hörte immer wieder vom Sekunden-Herztod, der
einen in jedem Alter treffen konnte. Aber die Finger – Berenike schluckte,
ihre Hoffnung war wohl sinnlos.
    Kain räusperte sich. Der Jüngere saß stumm daneben, Block und
Kugelschreiber vor sich.
    »Sind Sie wieder verkühlt, Herr Inspektor?«, wandte sich
Berenike an Kain.
    Der Polizist erwarb öfter Kräutertees gegen grippale Infekte,
mit denen er häufig zu kämpfen hatte. Streifendienst bei jedem Wetter war eben
nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher