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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Autoren: Anni Buerkl
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Berenike
klingelte, doch sie hatte die Stille, die Leere des Hauses längst gespürt.
Nichts rührte sich, also machte sie kehrt. Erste Regentropfen fielen, als sie
auf dem Motorrad in die oberste Kurve einbog, große schwere Tropfen. Berenike
schlitterte, aber zum Glück ging alles gut. Sie reduzierte die Geschwindigkeit.
In der nächsten Kurve tauchte eine Gestalt auf, zu Fuß. In einen grauen Umhang
gehüllt. Etwas an der Person irritierte Berenike. Sie bremste. »Ragnhild?« Das
dumpfe Sprechen, wenn man einen Helm aufhatte.
    Die Figur blieb stehen. Langsame Bewegungen. Aufschauen.
»Berenike?«
    Erleichterung, aber was war mit der Freundin los? »Ragnhild,
bist du lebensmüde?«
    Jetzt hob die Norwegerin langsam eine Hand. »Komm – mit –
hinein.« Sie drückte das quietschende Gartentor auf. Es duftete feucht nach
Rosmarin und Salbei, an der Grenze zur Straße peitschte der Regen Heckenrosen
und Jasmin. Ragnhild griff nach der Hacke. »Entschuldige, die Arbeit muss getan
werden.« Trotz des Regens ließ sie das Beil auf ein Holzstück niedersausen,
zwei Teile sprangen weg. Dann sanken ihre Arme nieder, als hätten sie von einem
Moment zum anderen jede Kraft verloren. Sie stützte sich mit einer Hand ab,
senkte ganz langsam das Beil über die Finger. Ließ das Werkzeug auf ihrer Haut
ruhen. Sie schüttelte den Kopf, legte das Beil weg und ging ins Haus, ohne sich
umzusehen. Berenike folgte ihr. Sie konnte denken, was sie wollte, sie mochte
diese mächtige Frau, die anzupacken wusste. Schließlich hatte Ragnhild immer
betont, dass sie jede Art von Gewalt ablehne. Erst recht, nachdem sie mit ihrem
Ex-Mann so viel Schlimmes erlebt hatte. Schläge und Tritte waren noch das
Harmloseste gewesen. Alles, weil Ragnhild nicht schwanger geworden war, so
hatte der Kerl sich rauszureden versucht. Berenike hätte sich bei Ragnhilds
Erzählungen am liebsten die Ohren zugehalten. Der Typ lebte jetzt mit einer
neuen Frau im Ort, die niemand zu Gesicht bekam, eine von außerhalb. Die beiden
hatten fünf Kinder. Eines für jedes Jahr seit der Hochzeit. Wie ein Zuchtbulle,
murmelten sich die Männer zu. Manchmal schwang Bewunderung mit.
    »Magst du Kaffee, Berenike?« Ragnhild hatte die Jacke
fallen gelassen und wischte sich die Hände an ihrer Hose ab. Sie rumorte in der
Küche. »Ich weiß, du trinkst sonst Tee.«
    »Zur Abwechslung tut Kaffee gut.«
    Ragnhild lachte, es klang nach der Absicht, fröhlich zu
wirken. Im Salon bot Berenike keinen Kaffee an. Es galt das Motto, wie sie es
einmal in Budapest gelesen hatte: ›Strictly tea is served.‹
    Ragnhilds Holzhaus war behaglich eingerichtet. Berenike
überlegte wieder, wie sich die Freundin das Eigenheim leisten konnte.
Wahrscheinlich hatte sie Geld vom Ex-Mann.
    »Ich habe Amaretto, wenn du magst?« Jetzt sprach Ragnhild
wieder in normalem Tempo.
    »Nein, danke. Hast du heute frei?« Im Sommer half Ragnhild im
Hotel Seebrise aus. Ob sie in dem Wellnessschuppen angemeldet werkte, hatte
Berenike nie gefragt.
    »Ja, ich hab frei«, antwortete Ragnhild leise und trug ein
Tablett in die Stube. Berenike setzte sich. Das Geschirr passte zu Ragnhilds
Haaren, eine rote Kaffeekanne mit weißen Tupfen thronte dickbauchig neben
weißen Tassen mit roten Punkten. Es sah aus wie Geschirr in einer Puppenküche.
Wäre doch das ganze Geschehen auch nur eine Puppengeschichte, die sich zwei
Kinder ausgedacht hatten. Komisch, dass man als Kind immer dachte, das Leben
würde mit der Zeit einfacher werden. Sie ließ sich von Ragnhilds duftendem
Marillenkuchen ablenken.
    »Bitte! Bediene dich! Er ist frisch aus dem Backrohr!«
Ragnhild schob sich zu Berenike an den quadratischen Tisch aus rohem Holz.
    Berenike biss in ein Stück Kuchen, schmeckte den saftigen,
süßen Früchten auf ihrer Zunge nach. »Ich habe dich heute erwartet.«
    »Was?«
    »Im Salon.«
    »Im Salon?«
    »Wir hatten ausgemacht, dass du kommst.«
    »Ach – ich …«
    »Ragnhild, was ist los mit dir?«
    »Was?«
    »Wo warst du gestern Nacht? Die Polizei war bei mir. Du
bist schon weg gewesen, Ragnhild. Wieso so zeitig? Es war erst Pause, ich hätte
deine Hilfe noch gebraucht. Das hatten wir vereinbart. Erinnerst du dich?«
Mittlerweile wusste Berenike nicht mehr, was sie der Norwegerin zutrauen
sollte. Sie kam ihr so fremd vor mit einem Mal.
    »Ich – ja …« Ragnhild hustete. Sie hatte sich
verkühlt, das konnte die Erklärung sein.
    »Ein – eine Verabredung.
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