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Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House

Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House

Titel: Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
Autoren: Deborah Crombie
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1
    London … Der Rauch senkt sich von den Schornsteinen
nieder, ein dichter schwarzer Regen von Rußbatzen, so
groß wie ausgewachsene Schneeflocken, die in schwarzen
Kleidern den Tod der Sonne betrauern wollen.
    Charles Dickens, Bleakhaus
     
     
    Es genügte ein einziges Streichholz, platziert in einem kleinen Hohlraum zwischen zerknülltem Papier und Chipstüten aus Plastik. Das Feuer glomm, dann loderte es knisternd auf, und binnen Sekunden leckten Flammenzungen an den untersten Möbeln, die irgendjemand praktischerweise im Erdgeschoss des alten Lagerhauses gestapelt hatte. Nichts brennt so gut wie Polyurethan-Schaumstoff, und die billigen Sessel, Sofas und Matratzen, die man aus den Wohnungen in den oberen Stockwerken heruntergeschafft hatte, waren alt genug, um noch nicht mit Brandverzögerer behandelt zu sein.
    Ein Geschenk. Es war ein Geschenk. Er hätte es selbst nicht besser planen können. Die Möbel würden genügend Hitze erzeugen, um einen Flashover auszulösen, und dann würden die alten Holzdielen und Deckenbalken brennen wie Zunder. Das Feuer würde ein Eigenleben entwickeln, losgelöst von seinem Urheber.
    Und das Feuer besaß Macht, das hatte er schon früh gelernt; die Macht, zu berauschen und zu verwandeln; die Macht, Staunen und Entsetzen auszulösen. In der Schule hatte er zum ersten Mal von dem großen Brand in der Tooley Street im Jahre 1861 gehört; heute kam es ihm merkwürdig vor, dass er ausgerechnet an diesem Ort seine Berufung entdeckt hatte.

    Die Feuersbrunst hatte zwei Tage lang gewütet und dabei Hafengebäude und Lagerhäuser auf einer Länge von fast dreihundert Metern vernichtet – ein Ausmaß von Zerstörung, wie es die Stadt seit dem großen Feuer von 1666 nicht mehr gekannt hatte und wie sie es bis zu den deutschen Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg nicht mehr erleben würde.
    Es hatte natürlich auch andere Brände gegeben: Mustard Mills 1814, Topping’s Wharf 1843, Bankside 1855; es kam ihm vor, als seien Feuer für Southwark eine Notwendigkeit wie Geburt und Tod, eine elementare Bedingung für Wachstum und Erneuerung.
    Die Hitze begann sein Gesicht zu versengen; die Haut über seinen Wangenknochen und an seiner Stirn fühlte sich gespannt an, Rauch und entweichende Gase stiegen ihm beißend in die Nase. Das Feuer war jetzt so richtig in Gang gekommen; es bahnte sich seinen Weg tief in die aufgestapelten Möbel hinein und züngelte unvermittelt an anderer Stelle wieder hervor. Es war Zeit zu gehen, aber noch zögerte er, noch konnte er sich nicht losreißen von diesem Quell der Energie, der ihm mehr bedeutete als sexuelle Befriedigung – der ihm einen Blick ins Herz des Lebens selbst gewährte. Wenn er sich ihm ganz und gar hingäbe, wenn er sich davon verzehren ließe, würde sich ihm dann endlich die tiefere Wahrheit offenbaren?
    Aber noch widerstand er der Versuchung, sich ganz auszuliefern. Er schüttelte sich, kniff die brennenden Augen zusammen und sah sich noch ein letztes Mal um. Er musste sich vergewissern, dass er keine Spuren hinterlassen hatte. Dann schlich er sich auf demselben Weg hinaus, auf dem er gekommen war. Er würde aus der Ferne zusehen, wie das Feuer zu seinem unabwendbaren Höhepunkt hin anwuchs, und dann … dann würde es schon bald das nächste geben. Es gab immer ein nächstes Feuer.
     
    Am liebsten mochte Rose Kearny die Nachtschicht – wenn es ganz still war auf der Wache, bis auf die gedämpften Stimmen im Bereitschaftsraum, wo alle den ihnen zugewiesenen Aufgaben nachgingen. Es war ein beruhigendes Gefühl, diese Geborgenheit
im Kreis der Kameraden, wenn draußen alles dunkel war, genau wie die allmähliche Entspannung nach einem Einsatz. Und sie schätzte sich glücklich, hier in Southwark gelandet zu sein, auf derselben Wache, wo sie ihre Ausbildung absolviert hatte – die zudem die geschichtsträchtigste von ganz London war.
    Zusammen mit ihrem Kollegen Bryan Simms überprüfte sie die Atemschutzausrüstung nach dem ersten Alarm dieser Nacht – eine alte Dame hatte sich in ihrer Sozialwohnung ein Abendessen machen wollen und war eingenickt, während die Bratkartoffeln auf dem Herd brutzelten. Zum Glück hatte ein Nachbar den Rauch sehr bald bemerkt; sie hatten den Brand mühelos unter Kontrolle bringen können, und die Frau war ohne ernstliche Verletzungen davongekommen.
    Aber jeder Einsatz, ganz gleich wie geringfügig, erforderte eine sorgf ältige Überprüfung aller benutzten Ausrüstungsgegenstände. Heute Nacht waren sie
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