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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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Mühe gab, seine Schadenfreude zu verhehlen.
    »Dieser Wein ist einsame Spitze. Gibt’s in Norditalien auch Mafiaclans, zu denen du Beziehungen pflegst?«, fragte ich kauend.
    Lorenzo war – soweit ich informiert war – ein gesetzestreuer Mann. Er hatte jedoch aus Gründen, über die er hartnäckig die Aussage verweigerte, geheimnisvolle Kontakte zu irgendeiner kalabresischen Mafiagröße. In grauer Vorzeit hatte er dessen Sohn unter nicht näher bekannten Umständen das Leben gerettet, und seither wurde sein Weinkeller niemals leer. Da es kein Verbrechen ist, von Verbrechern ohne Gegenleistung Geschenke anzunehmen, ging mich das in meiner Eigenschaft als Polizist nichts an. In meiner Eigenschaft als Freund jedoch schon, fand ich. Aber wie immer biss ich auch heute auf Granit mit meinen Sticheleien.
    »Den Chardonnay musste ich leider Gottes bezahlen«, erwiderte er und studierte mit kritischem Blick das Etikett. »Das Zeug ist entsetzlich teuer, aber ich muss sagen, es ist jeden Cent wert.«
    Später, da war es schon dunkel, gelang es mir mit knapper Not zu verhindern, dass Lorenzo noch eine dritte Flasche öffnete. Der Alkohol machte mir inzwischen zu schaffen, und auch mein Gastgeber war längst nicht mehr nüchtern. Wir alberten herum, philosophierten über Belanglosigkeiten, und irgendwann kam unser Gespräch auf die verletzte Frau, die keiner vermisste. Auch Lorenzo hatte die Geschichte in der Presse verfolgt.
    »Sie ist jedenfalls nicht von hier«, sagte ich, »sonst hätte sich längst jemand gemeldet, der sie kennt.«
    »Woher mag sie kommen?«
    »Wenn ich im Dienst wäre, dann würde ich auf Osteuropa tippen. Balkan, Menschenhandel, irgend so was. Ich bin aber nicht im Dienst, ich habe Urlaub.«
    »Du meinst, sie sollte zur Prostituierten gemacht werden? Zuhälter, vor allem die aus dem Osten, sollen ja recht rigoros sein im Umgang mit … hm … unwilligem Personal.«
    »Dann hätte sie ganz andere Verletzungen. Prellungen, Blutergüsse, Spuren von ausgedrückten Zigaretten am Körper. Sie hätten sie vergewaltigt, wieder und wieder. Nichts davon haben meine Leute gefunden. Nur ein einziger glatter Schlag auf den Hinterkopf und aus.«
    »Ich habe gelesen, sie ist über den Berg. Irgendwann wird sie zu sich kommen und reden.«
    Eine Weile schwiegen wir. Leichter Wind kam auf, die Rosenbüsche unterhalb Lorenzos Terrasse dufteten.
    »Sagst du nicht immer, Morde seien meistens Beziehungstaten?«
    »Ja, ja, der gute alte eifersüchtige Ehemann. Aber der hätte sich längst gestellt.« Ich nahm den letzten Schluck Wein, ließ ihn langsam durch meinen Mund schweben. Schluckte erst, als es gar nicht mehr anders ging. »Oder sich auf dem Dachboden erhängt.«
    Gedankenverloren sah Lorenzo auf den Neckar hinunter, wo immer noch Boote unterwegs waren. Lachen klang zu uns herauf. Eine Frau kreischte, etwas platschte ins Wasser.
    »Eine Touristin?« Lorenzo sah mir plötzlich lebhaft ins Gesicht. »Eine alleinreisende Amerikanerin vielleicht? Auf Europarundreise? Dann kann es Monate dauern, bis sie jemand vermisst.«
    »Ich vermute eher, der Täter hatte Panik. Zu unserem Glück stellt sich der Mensch selten so dämlich an, wie wenn er ein Verbrechen begeht.«
    Was redete ich da? Was ging mich das alles an? Ich hatte Ferien. Auch Lorenzo hatte nun das Interesse am Thema verloren. Versonnen sahen wir auf das mittlerweile von Scheinwerfern angestrahlte Schloss, wo immer noch verspätete Touristen Erinnerungsfotos knipsten. Und in den unzähligen dunklen Ecken trieben sich bestimmt unzählige Liebespaare herum. Ob auch meine Töchter darunter waren? Heute Morgen waren sie ungewöhnlich früh aufgestanden und hatten mir beim Frühstück erzählt, sie wollten zusammen mit einer Freundin irgendeinen Reiterverein besuchen. Wozu, hatte ich nicht verstanden. Und falls sie sich nun wirklich dort drüben mit Jungs vergnügen sollten? Hatte ich mir nicht felsenfest vorgenommen, niemals zu den Vätern zu gehören, die auf die Lover ihrer Töchter eifersüchtig sind? Heute gelang es mir beinahe.
    Ein Ausflugsdampferchen verließ brummend die Schleuse flussabwärts. Schmalzige Musik wehte zu uns herauf, eine Lautsprecherdurchsage erklärte das baldige Ende einer gelungenen Rundfahrt. Manchmal kann Kitsch richtig schön sein.
    »Seltsame Vorstellung, dass man einfach seine Identität verlieren könnte.« Lorenzos Gedanken kreisten offenbar doch noch um die unbekannte Frau. »Plötzlich ist man kein Mensch mehr, sondern nur noch
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