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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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vermutlich vom Sturz die Böschung hinab. Irgendwann war das Kleidungsstück enger gemacht worden. Mit der Hand genäht, nicht ohne Geschick. Hatte es früher jemand anders getragen? Oder hatte die Besitzerin abgenommen? Daneben hing eine Jeans der Marke Levi’s, überall auf der Welt zu kaufen. Am Gesäß einmal gestopft, der Saum der Hosenbeine schon ein wenig verschlissen. Nichts in den Taschen. Nicht einmal Krümel.
    Reich war diese Frau nicht, so viel stand fest. Dem billigen weißen BH, Größe 65 B, fehlte jeglicher Sexappeal. Schließlich noch ein schwarzer Slip, altmodisch breit, ohne Hinweis auf seine Herkunft. Plötzlich fühlte ich mich wie ein Voyeur, wie ich mit der Unterwäsche einer Fremden in der Hand herumstand. Die Schwester beobachtete mich erwartungsvoll.
    »Wo sind ihre Schuhe?«, fragte ich und legte die Sachen ins Fach zurück. »Die Strümpfe?«
    Sie schüttelte die rote Lockenpracht. »Nicht mal ein Taschentuch hat das Schwein ihr gelassen.«
    Die Augen der Patientin waren immer noch geschlossen. Ihr Atem ging flach und ruhig. Nichts in ihrer entspannten Miene verriet, ob sie uns hörte.
    »Sonst irgendwelche Auffälligkeiten?«
    »Ihr Friseur muss ein Idiot sein.«
    Jetzt sah ich es auch: Das Haar der Patientin, das mir länger vorkam, als ich es von den Fotos in Erinnerung hatte, war äußerst talentlos geschnitten. Es sah aus wie das Ergebnis einer Do-it-yourself-Aktion vor dem Spiegel, zudem mit stumpfer Schere.
    »Manchmal hat sie ein bisschen erhöhte Temperatur. Sonst ist alles so weit normal. Den Umständen entsprechend sozusagen.«
    »Was ist mit ihrem Gebiss? Gibt es da irgendwelche Auffälligkeiten?«
    »Da sollten Sie vielleicht besser mit einem der Ärzte reden.« Die hennarote Schwester sah auf ihre eckige silberne Armbanduhr. »Gleich kommt das Essen, und vorher müsste ich eigentlich noch eine Runde Blutdruck und Fieber messen.«
    »Wo kommen die Blumen her?«, fragte ich, als sie mir zum Abschied überraschend kräftig die Hand drückte. »Hat sie Besuch gehabt?«
    »Nein. Die waren übrig. Die Frau im zweiten Bett durfte gestern heim und hat sie hiergelassen.«
    »Hat sich vielleicht jemand nach ihr erkundigt, seit sie hier ist?«
    »Kann ich nicht sagen. Ich war bis letzten Mittwoch im Urlaub. Ostsee, Meckpomm, echt klasse, wenn man sich mal so richtig erholen will.«
    Ich überreichte ihr mein Kärtchen mit dem Kommentar »Falls noch was ist«, und sie verschwand eilig.
    Nun war ich allein mit unserer Unbekannten. Ich nahm die Bluse noch einmal in die Hand. Sie war nicht mein Geschmack. Zu bunt, vielleicht einem abstrakten Gemälde nachempfunden, jedenfalls nichts Alltägliches. Ich ärgerte mich ein bisschen über meine Leute. Warum hatte man in der Presse nicht auf dieses Kleidungsstück hingewiesen? Dieses Muster war manchen Menschen gewiss besser im Gedächtnis geblieben als das Halskettchen.
    Inzwischen waren über zwei Wochen vergangen. Diese Spur war inzwischen kalt. Alle Spuren waren inzwischen kalt. Drei Tage, sagen wir immer. Was wir nach drei Tagen nicht gefunden haben, das brauchen wir eigentlich nicht mehr zu suchen.
    Mechanisch schlug ich die Umschläge der kurzen Ärmel um, fand im linken ein Haar und ärgerte mich nun wirklich. Ein blondes Haar, vielleicht zehn Zentimeter lang, das die Herren von der Spurensicherung offenbar übersehen hatten. Ich tat es in eines der Plastiktütchen, von denen ich aus Gewohnheit immer einige in der Jacketttasche trug. Hier war wohl wieder einmal ein Gespräch mit gehobener Lautstärke notwendig. Ich beschloss, mir die Akten vorlegen zu lassen, sobald ich wieder im Büro war. Wer konnte wissen, was die Herrschaften noch alles übersehen hatten?
    Aber daraus wurde vorläufig nichts.
    Mein Handy schlug Alarm.
    »Chef, wir haben hier eine ziemliche Schweinerei.« Balkes Stimme klang heiser. »Sollten Sie sich vielleicht mal ansehen.«
    Es musste schlimm sein.

4
    »Die ganze Zeit haben wir uns gewundert, woher der widerliche Gestank kommt«, erklärte mir ein rüstiger, kugelrunder Mann, dessen Alter ich auf Mitte sechzig schätzte. Seine verschreckte, weißhaarige Frau überragte ihn um Haupteslänge und nickte zu jedem seiner Worte.
    Wir standen am Rande eines kleinbürgerlichen Wohngebiets am südlichen Ortsrand von Altenbach. Meine Gesprächspartner waren Besitzer eines zweigeschossigen Häuschens aus der Nachkriegszeit. Das überraschend große Grundstück, auf dem es stand, stieg nach hinten hin stark an und grenzte an
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