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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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die mich mit ihrem Fahrtwind in den Schlaf schaukelten, um mich gleichzeitig mit ihren Lichtern und dem Dröhnen der Motoren wach zu halten. Irgendwann begann es, durch das geschlossene Schiebedach ins Auto zu regnen.
    Als es tagte, fuhr ich stinkwütend und hundemüde weiter an der Ostküste entlang Richtung Norden, rechts von mir die meiste Zeit das elefantengraue, brodelnde Meer und vor mir und hinter mir Lastzüge. Ich beschloss, meinen alten Peugeot zu behalten, bis er auseinanderfiel. Als endlich Olbia in Sicht kam, funktionierte auch plötzlich mein Handy wieder. Ich hatte Sönnchen erwartet, die wieder einmal meine Rückreise umorganisieren musste, aber es war noch einmal Machatscheck.
    »Dann hat Fahlenberg also doch Geld verdient mit seiner großzügigen Spende?«, fragte ich nach ein paar einleitenden Worten. »Dann war er doch das Schwein, für das Sie ihn die ganze Zeit gehalten haben?«
    Machatscheck seufzte und hustete in einem. »Wenn Sie jeden vor den Kadi zerren wollen, der bei der Steuer ein bisschen trickst …«
    »Das ›bisschen‹ stört mich an diesem Satz. Mir gegenüber hat er erklärt, dass ihn die Aktion summa summarum fünfzigtausend Dollar gekostet hat. Vom Finanzamt hat er ein Mehrfaches dieses Betrags erstattet bekommen. Das ist nicht ein bisschen tricksen, das ist ausgemachter Steuerbetrug.«
    »Ach, Herr Gerlach.« Machatscheck lachte gutmütig. »Sie sind und bleiben ein Romantiker.«
    Als er sich verabschieden wollte, kam mir noch ein Gedanke. Eine Frage, die mich schon seit gestern beschäftigte.
    »Sie wissen so vieles, vielleicht wissen Sie auch das«, sagte ich. »Ist es möglich, dass jemand wochenlang in einer deutschen Klinik liegt, der HIV-positiv ist, und kein Mensch merkt es?«
    »Es geht um die Frau oder?«, fragte er sofort.
    »Unsinn. Es beschäftigt mich nur ganz allgemein.«
    Natürlich glaubte er mir nicht. »Das ist nicht nur möglich, das ist sogar sehr wahrscheinlich. Ein HIV-Test darf nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Patientin gemacht werden. Bei den Standard-Bluttests wird das nicht untersucht.«
     
    Erst am Samstagvormittag kam ich in Heidelberg an. Das Pech war mir während der ganzen Reise treu geblieben. Die Fähre kam wegen des schlechten Wetters so spät in Livorno an, dass ich meinen Zug nicht mehr erreichte. Der nächste hatte dann in Mailand schon so viel Verspätung, dass ich dort den Anschluss verpasste und schließlich in Basel noch einmal übernachten musste. Immerhin hatte ich dort wunderbar geschlafen. Dennoch war ich restlos erschöpft und zutiefst unzufrieden, als ich die Wohnungstür aufschloss und meine Tasche in den Flur schmiss.
    Meine Töchter waren zu meiner Verblüffung nicht bei ihrem Pflegepferd, sondern saßen beim Frühstück. Sie hatten vor, später hinzufahren, erklärten sie mir, irgendwann am Nachmittag, aber bei diesem Wetter …
    Die beiden wussten inzwischen, was in Sardinien geschehen war, und in den ersten Minuten behandelten sie mich, als wäre ich vom Pferd gefallen und nicht Louise. Erst nach einer Weile begriff ich, dass sie sich nicht vor ihrer Aufgabe drückten, sondern auf mich gewartet hatten. Dass sie sich Gedanken gemacht hatten um mich und mich nicht allein lassen wollten. Ich war sehr gerührt.
    Aber schon am Abend, beim gemeinsamen Essen, mäkelten sie an den aufgebackenen Brötchen herum und begannen, darüber zu streiten, wer daran schuld war, dass Donnas Satteldecke nicht faltenfrei aufgelegen hatte. Und aus irgendeinem Grund machte mich ihr Genörgel glücklich. Vielleicht, weil es mir das Gefühl gab, dass die Welt doch noch dieselbe war wie vor einer Woche.
    Anschließend füllten wir gemeinsam ein Überweisungsformular aus. Sarah setzte den Betrag ein, eintausend Euro, zugunsten von »Friedensdorf International«, einem Verein, der in der Nähe von Oberhausen angolanische Kinder medizinisch versorgte und mit Prothesen ausstattete.
    Meine Töchter wurden nachdenklich und wollten mehr wissen über dieses Land, wo Kinder an den einfachsten Krankheiten starben oder ihre Beine durch Minen verloren, Erwachsene hungerten und Alte in Lumpen gingen. Vielleicht wurde ihnen an diesem Abend zum ersten Mal bewusst, dass sie bei ihrer Geburt gar nicht so viel Pech gehabt hatten, wie sie bis dahin dachten.
    So saßen wir zwei Stunden später immer noch am Küchentisch. Ich trank Wein und erzählte ihnen alles, was ich über Angola wusste. Louise kratzte sich unter ihrem Verband. Sarah drehte einen billigen Ring
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