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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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um Doktor Fahlenberg zu töten. Über die Gründe hierfür schwieg er sich aus. Aber genau diese Gründe waren es, die mich interessierten.
    Inzwischen war später Nachmittag, draußen hatte die Sonne sich hinter dunklen Wolkentürmen versteckt. Wir saßen in einem unangenehm kühlen Krankenzimmer einer abschreckend modernen Klinik im Westen Cagliaris. Raimondo trug einen dicken Verband um den Kopf, und die Ärzte waren der Überzeugung, er sei über den Berg. Die Verletzung war nicht so schwer gewesen, wie es zunächst ausgesehen hatte. Das Gehirn war fast unverletzt geblieben. Er sollte später an einem dummen kleinen Blutgerinnsel sterben, das die Sauerstoffzufuhr irgendeines wichtigen Teils seines Kleinhirns unterbrach.
    »Warum?«, lautete meine erste Frage.
    Silvestro übersetzte ein wenig gelangweilt: »Perché?«
    Rosanas Bruder sprach nur wenig Italienisch, hatte die Frage aber verstanden. Gleichmütig zuckte er die Achseln. Die ganze Zeit sah er unverwandt zur Decke, und seine Miene verriet, dass er nicht vorhatte, mir irgendwelche Fragen zu beantworten. Er hatte Fahlenberg getötet. Aus guten Gründen, die mich nichts angingen.
    Ich versuchte es auf Englisch: »It was Rosana who sent you, right?«
    Bei der Nennung des Namens wurden seine Augen ein wenig kleiner.
    »Mr Fahlenberg killed your brother Manuel.«
    Nun öffnete er den Mund, und ich schöpfte schon Hoffnung. Aber er schloss ihn wieder. Die Italiener sahen mich mitleidig an und hielten die ganze Aktion offensichtlich für Zeitverschwendung. Der Verrückte da hatte den Mord doch schon gestanden. Was wollte ich noch hier?
    Ich wollte die Wahrheit wissen. Auch wenn es nichts ändern würde, auch wenn nichts dadurch besser wurde. Ich musste einfach wissen, ob all meine Vermutungen und Spekulationen richtig waren. Ich wollte Antworten auf die Fragen, die ich Rosana wieder und wieder vergeblich gestellt hatte. Und jetzt, in dieser halben Stunde, die die Ärzte mir erlaubt hatten, war die letzte Gelegenheit dafür.
    Als ich die nächste Frage stellen wollte, öffnete Raimondo den Mund.
    »Somehow«, verstand ich sein tonloses Genuschel.
    Irgendwie.
    Irgendwie hatte Fahlenberg seinen Bruder getötet. Wir waren beim Motiv.
    »How exactly?«
    »You know«, lautete die Antwort.
    Rosana hatte also mit ihm über mich gesprochen.
    »By stored blood delivered by Mr Fahlenberg?«
    Raimondo nickte mit den Augenlidern.
    Das war im Grunde schon alles, was ich hatte hören wollen. Aber irgendetwas in dieser verhaltenen Bestätigung, in dieser Miene, die plötzlich noch verschlossener wirkte als zuvor, hielt mich davon ab, aufzustehen und zu gehen.
    Die beiden Italiener sahen sich an und schüttelten fast unmerklich die Köpfe.
    Es kostete mich eine Engelsgeduld und einige Diskussionen mit dem äußerst unfreundlichen und arroganten Stationsarzt, bis ich endlich die ganze bittere Wahrheit erfuhr. Bis heute weiß ich nicht, warum Raimondo ausgerechnet mir das Geheimnis seiner kleinen Schwester anvertraute. Ich vermute, sie hatte ihm wirklich von mir erzählt. Ob sie dabei vielleicht sogar ein paar nette Worte gefunden hatte? Oder sah er in mir, dem Mann, der ihn besiegt hatte, nur einen gleichrangigen Gegner? Einen, mit dem zu reden sich lohnte?
    Es war nicht Manuel gewesen, der sich mit dem heimtückischen Virus infiziert hatte, damals auf der Missionsstation. Es war Rosana. Seit über zwanzig Jahren war sie HIV-positiv, wusste es jedoch erst seit wenigen Monaten. Sie gehörte zu den wenigen Menschen, die von Natur aus resistent sind. Erst nach Manuels Tod hatten die Ärzte festgestellt, dass auch sie infiziert war.
    Den Rest reimte ich mir zusammen. Wieder war es nichts als Spekulation, aber es würde alles erklären. Was, wenn Manuel sich bei seiner Schwester angesteckt hatte? Wenn die Geschwister sich in ihrer Einsamkeit in Huambo oder schon während der tagelangen Flucht im Range Rover, hinter sich den Tod, um sich nichts als Gefahr und vor sich ein ungewisses Elend, eines Nachts näher gekommen waren, als Bruder und Schwester es dürfen? So etwas geschieht hin und wieder. Vielleicht öfter, als man denkt.
    Und in äußerster Gefahr tun Menschen in einem letzten, schon halb irren Aufbäumen ihres Lebenswillens manchmal Dinge, die sie sonst nicht einmal denken würden.
    Dann wäre Rosanas Baby nicht die Frucht einer Vergewaltigung, wie Hecker vermutet hatte, sondern von Geschwisterliebe. Für all dies habe ich nicht den Schatten eines Beweises, und
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