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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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Rosana hatte eines späten Nachmittags in Hirschberg am Fahlenbergschen Gartentor geläutet. Schlindwein hatte geöffnet, sich jedoch nicht mit ihr verständigen können, da sie nicht Deutsch sprach. So hatte er sie schließlich notgedrungen zu seinem Chef geführt. Dort sagte Rosana genau zwei Worte, »Mister Fahlenberg?« und zog gleichzeitig Ricks alte Armeepistole aus der Handtasche. Aber Schlindwein war schneller gewesen. Er stand schräg hinter ihr, und als er die Waffe in ihrer Hand erblickte, packte er eine handliche, moderne Marmorplastik und schlug sie, zwangsläufig unter Fahlenbergs Augen, auf Rosanas Kopf. Ihr Schuss verfehlte sein Ziel und zerstörte lediglich eine große Kristallvase voller Gladiolen. Ein Glassplitter spritzte Fahlenberg ins Gesicht und fügte ihm an der Stirn eine kleine Schnittwunde zu. Das war alles.
    Sogar das Geschoss hatten sie schon gefunden, genau an der Stelle, die Schlindwein beschrieben hatte, sieben Zentimeter tief in einer Innenwand der Villa.
    Zumindest in diesem Punkt hatte Fahlenberg also nicht die Wahrheit gesagt. Er hatte Rosana in die Augen geblickt, als sie auf ihn zielte. Und gewiss war ihm nicht verborgen geblieben, dass sein Angestellter sie anschließend nicht ins Krankenhaus fuhr.
    Auch nachdem man ihn darüber aufgeklärt hatte, dass sein Chef tot war, versuchte Schlindwein noch immer, diesen zu decken und alle Schuld auf sich zu nehmen. Das Merkwürdige war: Schlindwein würde im Fall Rosana höchstens wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden. Als er sie niederschlug, hatte er in Nothilfe gehandelt, um Fahlenberg zu retten. Der Rest blieb Spekulation. Der Einzige, der gegen ihn hätte aussagen können, Woronin, war tot.
    Das Wetter war schwül und drückend an dem Tag, als ich nach Cagliari fuhr, und ich lernte die Klimaanlage des Wagens lieben. Man gewöhnt sich in Minuten an einen Luxus, den man jahrzehntelang nicht vermisst hat.
    Die Autobahn in den Süden war nur schwach befahren. Als ich später in der Nähe von Oristano eine Kaffeepause machte, stand im Westen eine Wolkenbank über dem Meer. Balke rief an, um mir mitzuteilen, dass in der vergangenen Nacht in der Nähe von Bonn ein Haus abgebrannt war. Der einzige Bewohner, ein früher bekannter Journalist, wurde vermisst, und man vermutete seine Leiche unter den Trümmern. Außerdem war Balke nun wirklich und endgültig entschlossen, sich von Nicole zu trennen. Vangelis hingegen hatte sich wieder mit ihrem Agostos versöhnt, erfuhr ich. Sie waren übereingekommen, im Urlaub nie wieder gemeinsam ein Auto zu besteigen.
    Als ich wieder auf der Autobahn war, meldete sich Theresa. Sie wusste natürlich, was geschehen war, und wollte hören, wie es mir ging.
    »Ich bin schuld am Tod eines Menschen«, erwiderte ich. »Einen anderen habe ich um ein Haar erschlagen. Und du fragst, wie es mir geht?«
    Sie versuchte, mich mit den in solchen Fällen üblichen Argumenten zu trösten. Und es stimmte ja auch alles. Giulio war aus freien Stücken über dieses verfluchte Tor geklettert. Er war es gewesen, der entgegen meinem Rat nicht auf die Carabinieri warten wollte. Er war ein erwachsener Mann, der wusste, in welche Gefahr er sich begab. Und ja, ich hatte sogar versucht, ihn zurückzuhalten. Mehr als einmal.
    Aber alle Worte waren nichts gegen die Tatsache, dass drei Töchter, zugegeben, erwachsene Töchter, nun keinen Vater mehr hatten und eine Frau keinen Mann. Am Ende war Theresa fast ein wenig beleidigt über meine Verstocktheit.
    Auch mit meinen Zwillingen telefonierte ich regelmäßig. Sie wussten bisher nur, dass es auf Sardinien mächtigen Ärger gab und ich deshalb einige Tage später als geplant zurückkehren würde, was sie mit Fassung trugen. Louises Arm war schon fast wieder in Ordnung, und die beiden verbrachten ihre Tage bei Donna. Das Thema Bruno kam in unseren Gesprächen nicht vor. Auch in Heidelberg war es heute gewittrig.
     
    Das Verhör fand in Anwesenheit zweier italienischer Kollegen statt, von denen zum Glück der eine, ein netter Kerl mit offenem Blick, recht gut Deutsch sprach. Silvestro war in Triest aufgewachsen, während sein mürrischer Kollege aus dem Süden Italiens zu stammen schien und mich aus irgendeinem Grund nicht ausstehen konnte.
    Es war Mittwoch, der Tag vor Raimondos Tod.
    Silvestro war ein gewiefter Verhörbeamter, wie mir schon bei seinen ersten Worten klar wurde. Raimondo hatte bereits gestern ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er war nach Sardinien gekommen,
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