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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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Aussichtsberg.
    Am nächsten Tag, das muss dann ein Dienstag gewesen sein, war der Bericht schon ein wenig größer. Rosana, deren Namen ich natürlich erst Wochen später erfahren sollte, war weder Motorradfahrerin, noch stammten ihre Verletzungen von einem Verkehrsunfall. Ihr Überleben verdankte sie einem dieser irrwitzigen Zufälle, wie sie nur das Leben selbst sich erlauben kann. Auf der Straße vom Königstuhl ins Elsenztal hinunter war spätnachts eine Horde Motorradfahrer unterwegs gewesen. Alle nicht mehr ganz nüchtern, alle ein bisschen zu guter Laune, und so war es kein Wunder, dass der Anführer des Rudels in einer tückischen Kurve von der Straße abkam. Der Unfall war völlig harmlos, seine Maschine erlitt ein paar Kratzer, er selbst kam mit einem verstauchten Daumen davon, und das Schlimmste an der Sache dürfte für ihn der Spott seiner Kumpels gewesen sein.
    Während sie ihm halfen, seine BMW Enduro wieder auf die Räder zu stellen, und feixend das Laub von seiner Jacke pflückten, entdeckte einer, der die Gelegenheit zum Austreten nutzte, eine leblose Frau. Nur wenige Schritte von der Straße entfernt hatte sie im Wald gelegen, halb unter einem Gebüsch. Sie war vollständig bekleidet gewesen, und inzwischen ging man davon aus, dass sie Opfer eines Raubüberfalls geworden war. Außer ihrer Kleidung hatte sie nichts bei sich gehabt, keine Handtasche, keine Papiere, einfach nichts. Die medizinische Diagnose lautete Schädelbasisbruch, verursacht durch massive Gewalteinwirkung mit einem stumpfen, glatten Gegenstand. Einem Baseballschläger zum Beispiel.
    Wären die Motorradfahrer ein klein wenig vorsichtiger gefahren oder hätte der Gestürzte ein Bierchen weniger getrunken, Rosana hätte vermutlich wochenlang dort gelegen und wäre vielleicht erst im Herbst von Pilzsuchern gefunden worden. Nach Meinung der Ärzte hätte sie schon zwei Stunden später keine Überlebenschance mehr gehabt. Außer der Kopfverletzung und einigen kleineren Schrammen und Kratzern war sie unversehrt. Ein Sexualdelikt konnte ausgeschlossen werden.
    Zurzeit war das Opfer immer noch bewusstlos, hieß es in der Zeitung, und angesichts der Schwere des Schlags würde sie es möglicherweise noch eine Weile bleiben. Und es sollte noch dreizehn Tage dauern, bis ich ihr zum ersten Mal gegenüberstand.
     
    Als Chef der Heidelberger Kriminalpolizei wusste ich natürlich, was nun routinemäßig in der Polizeidirektion ablief: Klara Vangelis, die ich mit meiner Vertretung beauftragt hatte, würde sämtliche Vermisstenmeldungen sichten lassen, auf der Suche nach einer zu der Verletzten passenden Beschreibung. Ihre Daten wurden in den Computern des BKA abgelegt, auf die jeder Polizist Deutschlands jederzeit Zugriff hat. Und dann blieb ihr nichts übrig, als zu warten. Zu warten, bis jemand sich meldete, dessen Ehefrau oder Mutter, Nachbarin oder Freundin seit einiger Zeit verschwunden war.
    Aber niemand schien die Frau zu vermissen, und so sah ich am Donnerstag zum ersten Mal Rosanas Gesicht. Ein nicht besonders gut geratenes, nicht übermäßig großes Foto in der Zeitung, denn noch immer war sie ja nur eine Meldung am Rande: »Wer kennt diese Frau? Größe: einszweiundsechzig, Alter: Anfang bis Mitte dreißig, Gewicht: einundfünfzig Kilo.« Und am Abend desselben Tages, in diesem Punkt bin ich mir sicher, sah ich sie auch in den Regionalnachrichten des Fernsehens.
    Ich betrachtete dieses nicht unattraktive, ein wenig rundliche Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen, das schwarze, leicht gelockte und knabenhaft kurz geschnittene Haar. Die Jeans und die kurzärmlige Bluse, die sie getragen hatte, waren nicht modisch, weder neu noch teuer, aber reinlich. Unauffällige, gepflegte Erscheinung, las ich. Allem Anschein nach handelte es sich bei dem Opfer also weder um eine Obdachlose noch um eine Drogensüchtige, die an den falschen Freier geraten war.
    Man hatte auch keinerlei Anzeichen für einen Kampf oder auch nur Gegenwehr an ihrem Körper gefunden. Der Schlag auf den Hinterkopf musste völlig überraschend gekommen sein.
    Auf dem Foto wirkte Rosana, als würde sie schlafen. Man wäre nicht auf den Gedanken gekommen, es sei ihr ein Unglück zugestoßen, hätten nicht diese hässlichen durchsichtigen Schläuche aus ihrer Nase gehangen.
    Vangelis schien kein Glück zu haben in diesem Fall, denn schon zwei Tage später, am Samstag, erschien wieder ein Foto in der Zeitung. Größer und schärfer diesmal, der Artikel war auch
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