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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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es nicht lassen konnte, ihnen ins Handwerk zu pfuschen.
    Liebekind, mein Chef, zog zwar noch hie und da die buschigen Brauen hoch, ließ mich aber gewähren, solange der Rest funktionierte. Und dass er funktionierte, verdankte ich der besten aller Sekretärinnen.
    Ich überflog die Wochenberichte meiner Mitarbeiter, die Vangelis für mich bereitgelegt hatte, und zeichnete sie ab. Die meisten Dienststellen, die mich sonst mit lästigen Anfragen und Datenerhebungen zu quälen pflegten, waren zum Glück derzeit ebenfalls unterbesetzt, selbst der E-Mail-Eingang hielt sich in Grenzen. Dafür, dass ich zwei Wochen nicht im Büro gewesen war, fand ich erstaunlich wenige dieser lästigen Müll-Mails vor. Allerdings war auch von Theresa nichts gekommen. Ich sortierte die Post auf zwei Stapel. Einen kleinen, den ich selbst erledigen würde, und einen großen, um den sich Sönnchen nach ihrer Rückkehr kümmern durfte.
    Dann wusste ich plötzlich nichts mehr mit mir anzufangen, und so stand ich, ohne recht zu wissen wozu, um halb elf im Uniklinikum neben Rosanas Bett.
    Auf dem weiß lackierten, blitzsauberen Nachttisch stand eine billige Vase mit einem halb verwelkten Buschrosensträußchen. Die Wände waren in einem fröhlichen Gelb gestrichen. Es roch nach Plastik und Sauberkeit. Der Platz für das zweite Bett war leer. Vermutlich deshalb wirkte das Zimmer etwas ungemütlich.
    Die Patientin war wach. Sie hatte die Decke bis zur Nasenspitze hochgezogen und sah mich aus dunklen Augen an. Verwirrt? Furchtsam? Ich lächelte beruhigend, aber sie reagierte nicht. Sie war noch zierlicher, als ich sie mir aufgrund der Beschreibung vorgestellt hatte. Vielleicht, weil das Bett und der Raum um sie herum so groß waren. Ein riesiger Verband klebte an ihrem Hinterkopf.
    »Ich bin von der Polizei«, sagte ich und räusperte mich.
    Sie wandte den Blick nicht ab, sondern schloss nach Sekunden einfach die Augen. Als hätte sie genug von mir gesehen. Als würde sie mich ausknipsen wie eine langweilig gewordene Seifenoper.
    »Do you speak English?«
    Keine Reaktion.
    »Parlez-vous français?«
    Nichts.
    »Italiano? Español?«
    Damit war ich am Ende mit meinen bescheidenen Sprachkenntnissen, wobei ich auf Italienisch und Spanisch ohnehin nicht viel mehr als »Guten Tag« oder »Brot und Wein« hätte sagen können. Eine groß gewachsene Schwester mit langen, hennaroten Locken beobachtete mich aufmerksam und leise amüsiert.
    Das haben wir ja alles längst versucht, sagte ihre Miene.
    Laut sagte sie: »Heute Nachmittag machen wir ein EEG. Ich hoffe, anschließend können wir Ihnen sagen, was mit der Dame los ist.«
    »Kann man denn anhand der Hirnströme feststellen, ob ihr Sprachzentrum beschädigt ist oder so was?«
    »Na ja, das zwar nicht. Aber wir können messen, ob ihr Gehirn auf bestimmte Reize reagiert.«
    »Wie sieht es mit ihrem Erinnerungsvermögen aus? Wird sie den Täter beschreiben können?«
    »Alles ist möglich.« Sie fuhr sich mit den Händen durchs üppige Haar. »Aber verlassen würde ich mich an Ihrer Stelle erst mal auf nichts.«
    Wir befanden uns im dritten Obergeschoss des riesigen und verwirrend komplexen Gebäudes der Heidelberger Kopfklinik. Ich hatte zweimal fragen müssen, um die Abteilung für Neurologie zu finden. Auch hier standen alle Fenster offen. Im Gegensatz zu denen in meinem Büro gingen diese hier nach Westen, und so war es auch jetzt, am späten Vormittag, noch angenehm kühl. Draußen begannen ein Mann und eine Frau sich lautstark zu streiten. Autotüren knallten, ein Wagen fuhr mit quietschenden Reifen an. Dann war es wieder still.
    Das Kettchen mit dem Kreuz trug unsere Unbekannte schon wieder am Hals.
    »Das wollte sie unbedingt so«, erklärte die Schwester halblaut, als sie meinen Blick bemerkte. »Das war praktisch das Erste, nachdem sie wach war: Sie hat sich an den Hals gefasst und nach dem Kreuz getastet. Die Kolleginnen haben ihr das Ding dann umgehängt, und da hat sie gelächelt.«
    Auch der dünne Ring mit dem funkelnden Steinchen steckte wieder an seinem Platz. Kleine, kräftige Hände hatte sie. Hände, die Arbeit gewohnt waren. Die Nägel waren kurz geschnitten und unlackiert. Auch ihr Gesicht hatte keinerlei Spuren von Make-up aufgewiesen, als man sie fand.
    Eine leichte Sommerbluse hing im Einbauschrank. Viskose, mit dreißig Grad zu waschen und einem Punkt zu bügeln. Der Stoff duftete ein wenig nach Zimt, bildete ich mir ein. Am Rücken Schmutzspuren, ein langer Riss, beides
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