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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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den Wald. Vorne, zwischen Haus und Straße, blühten hingebungsvoll gepflegte Rosen gegen die Hitze an. Wir standen am Zaun im rückwärtigen Teil des Gartens, wo sich Beet an Beet reihte. Tomaten, Stangenbohnen, Lauch, ein Kräuterbeet, ein großer, schön gewachsener Kirschbaum wie aus dem Bilderbuch. Die Hände der Frau verrieten, wer zuständig war.
    Die Leiche lag nur wenige Schritte jenseits des mannshohen und rostigen Maschendrahtzauns in dichtem Gestrüpp und war schon weitgehend mumifiziert.
    »Der Hund ist auch die ganze Zeit so rebellisch gewesen«, fuhr der Mann fort, dessen Namen ich erst beim zweiten Mal verstanden hatte: Aschebier. »Wir haben gedacht, vielleicht ist wieder ein Igel im Garten.«
    »Wir mögen ja Igel«, fügte Frau Aschebier mit schuldbewusst gesenktem Blick hinzu. »Sie fressen nämlich Schnecken. Drum haben wir unseren Jury nicht mehr hinten rausgelassen, weil er sich immer so verrückt aufgeführt hat. Immer nur noch vorne, nicht wahr, mein Armer? Da hast du dich bestimmt geärgert, mein Guter?«
    Der wuschelige, sandfarbene Hund zu ihren Füßen sah mit spitzen Ohren zu ihr auf und fiepte zustimmend.
    Der Mann rieb sich das ausladende Kinn und nickte wichtig. »Hat sich nämlich schon ein paarmal eine blutige Nase geholt an einem. Er ist einfach zu blöd zu begreifen, dass er mit denen nicht fertig wird.«
    Der Tote war männlich, zu Lebzeiten maximal eins siebzig groß gewesen, und in den vergangenen Tagen und Wochen hatten einige Tiere ihren Hunger an seinen sterblichen Überresten gestillt. Vielleicht aus diesem Grund fluchten die Spurensicherer heute noch mehr und lauter als sonst. Sogar Balke war blass.
    »In den letzten Tagen hat der Gestank dann Gott sei Dank aufgehört«, meinte der Hausbesitzer grimmig.
    »Erzähl dem Herrn von dem Wildschwein!«, flüsterte seine Frau, während sie den Hund zwischen den Ohren kraulte.
    »Stimmt. Vor ein paar Jahren ist da nämlich mal eine verendete Wildsau gewesen. Und damals hat’s genauso gestunken. Nehme an, dass es an der Straße oben angefahren worden ist, die ist ungefähr hundert Meter von hier«, er wies irgendwohin, »und dann hat sich das blöde Vieh noch bis hierher geschleppt, und ausgerechnet hier, ausgerechnet an unserem Zaum muss es dann … na ja.«
    »Genau.« Die Frau sah mich empört an. »Ungefähr da, wo der Mann jetzt liegt, da ist es gestorben.«
    »Drum haben wir uns ja auch nichts weiter gedacht. Wieder irgendein totes Tier, haben meine Frau und ich gedacht. Ein großes. Die kleinen, die stinken … ja nicht so … lang.«
    Bei seinen letzten Worten hatte er plötzlich langsamer gesprochen. Vielleicht wurde ihm erst jetzt bewusst, dass er und seine Frau wochenlang neben einem Toten gewohnt hatten.
    Eine Weile beobachteten wir schweigend die zwei Spurenspezialisten in ihren weißen Kapuzenanzügen, die maulend und schimpfend in immer weiteren Kreisen durch das dichte und offenbar auch stachelige Gesträuch um den Leichnam herumstapften. Es waren die beiden, die im internen Dienstgebrauch »Dick und Doof« genannt wurden. Nach einem ersten, nicht allzu langen Blick auf die Leiche vermied ich es hinzusehen. Auch Balke beobachtete lieber die Vögel. Der neben uns herumlungernde baumlange Uniformierte betrachtete angestrengt seine ziemlich ramponierten schwarzen Halbschuhe und wirkte, als müsse er sich jeden Moment übergeben.
    Schließlich kam der Chef der Spurensicherung durch Gestrüpp und Brennnesseln zu uns herüber. Unter den kritischen Blicken des Hausbesitzers schlüpfte er durch ein Loch im Zaun, das dabei nicht kleiner wurde. Mit der flachen Hand wischte er sich den Schweiß aus dem runzligen Gesicht. Seine Ähnlichkeit mit Oliver Hardy verblüffte mich immer wieder.
    »Der Kunde kann dann weg. Die Mediziner werden aber nicht viel Spaß mit ihm haben. Die reinste Mumie. Sogar die Maden sind schon krepiert.«
    Im Tal schlug eine Kirchturmuhr scheppernd zwölf.
    »Die Todesursache?«
    »Dafür sind wir nicht zuständig«, seufzte der schweißtriefende Kollege und blickte demonstrativ auf seine überraschend elegante Armbanduhr. Natürlich, wie hatte ich es vergessen können, es war Essenszeit.
    Ich zwang mich, einen letzten Blick auf die Stelle jenseits des Zauns zu werfen. Die Haut des Toten war im Lauf der Wochen blauschwarz geworden. Die Augenhöhlen starrten leer zu mir herüber, das Gesicht war zu einem schadenfrohen Grinsen verzerrt.
     
    »Echt eklige Geschichte«, meinte Balke während der
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