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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut
Autoren: Christopher Pike
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Revolver auf mich und bedeutet mir, mich an den Wohnzimmertisch zu setzen. Er hat sogar eine Manschette dabei, die mein Blut stauen soll. Ich befestige sie um meinen linken Oberarm. Meine Venen drücken sich unter der weichen, weißen Haut hervor. Merkwürdig, daß ich in diesem Moment einen Leberfleck auf dem Ellbogen entdecke, von dem ich nie etwas wußte, obwohl es ihn doch seit fünftausend Jahren dort geben muß.
Ich kann nicht fassen, daß ich dabei bin, zu sterben.
Während er mich nicht aus den Augen läßt, holt sich Eddie Eis und ein paar Gläser aus der Küche. Klar, er will seine Eroberung mit ein paar Trinksprüchen feiern. Ich zucke nicht mit der Wimper, als er mir die Nadel in die größte Vene sticht und mein Blut durch eine Plastikspirale in sein Glas zu fließen beginnt. Für mich bitte einen Bloody Sita – mit Eis. Das Glas füllt sich. Wir schauen uns über den Wohnzimmertisch hinweg an. Joel liegt halb ohnmächtig drei Meter zu meiner Linken, sein Atem geht schwer. Aus Erfahrung weiß ich, daß großer Blutverlust zum Ersticken führen kann. In ein paar Minuten weiß ich es vielleicht sogar aus eigener Erfahrung. Eddies Grinsen geht mir am meisten auf die Nerven.
»Ich hab’ gewonnen«, sagt er.
»Und was, bitte schön? Du bist ein elender Hund, und wenn ich nicht mehr da bin, bist du doch immer noch elend. Macht, Reichtum, sogar Unsterblichkeit machen nicht glücklich. Was das Wort bedeutet, wirst du nie erfahren.«
Eddie lacht nur. »Besonders glücklich siehst du mir auch nicht gerade aus.«
Ich nicke. »Stimmt. Aber ich gaukle es mir auch nicht vor. Ich bin, was ich bin. Du bist doch bloß ein Abziehbildchen eines Helden aus einer deiner perversen Phantasien. Eines Morgens – eines Abends, sollte ich wohl besser sagen –, wirst du aufwachen, in den Spiegel schauen und dir wünschen, daß der, der dich da anstarrt, nicht ganz so häßlich wäre.«
»Du bist doch nur eine miserable Verliererin.«
Ich schüttele den Kopf. »Ich meine jetzt gar nicht dein häßliches Gesicht. Wenn du lange genug lebst, wirst du schließlich und endlich sehen, wer du bist. Das ist unvermeidlich. Wenn es mir nicht gelingt, dich heute abend umzubringen, sage ich dir voraus, daß du dich am Ende selbst umbringen wirst. Aus purem Abscheu. Eins ist jedenfalls sicher: Du wirst dich nie ändern. Du wirst immer etwas Krankes bleiben, das die Schöpfung ausgekotzt hat, als Gott gerade einmal kurz wegschaute.
Er schnaubt. »Ich glaube nicht an Gott.«
Traurig nicke ich ihm zu. »Ich weiß auch nicht, ob ich es tue.«
Schwindel überkommt mich.
Mein Blut, mein unsterbliches Blut, verläßt mich.
Lange wird es nun nicht mehr dauern.
Immer wieder jedoch muß ich an Krishna denken, selbst dann, als das Glas randvoll ist, Eddie es sich an die Lippen hält, mir zuprostet und es in einem einzigen Zug austrinkt. Es ist, als hätten sich der Traum von Krishna und die Geschichte, die er Yaksha erzählte, in meinem Verstand überlagert. Es ist sogar so, als besäße ich gleich zwei Arten von Verstand: einen in dieser Hölle, die ich nicht verdecken kann, der andere in einem Himmel, an den ich mich nicht richtig erinnern kann. Die Dualität meines Bewußtseins tröstet mich jedoch nicht. Die glückliche Erinnerung an das Gespräch mit Krishna, das ich in meiner Vorstellung oben auf dem verzauberten Hügel mit ihm führte, macht es mir nur noch schwerer, mein bitteres Ende zu akzeptieren. Natürlich akzeptiere ich es überhaupt nicht. Obwohl ich mich ihm ergeben habe, habe ich einfach schon zu lange gelebt, als daß ich mich hier bloß hinlegen und aussaugen lassen könnte. Krishna besiegte einst den Dämon, indem er die bezaubernde Frau spielte. Wie soll ich denn diese Rolle spielen? Wo liegt der Schlüssel? Wenn er mir doch nur erscheinen und alles erklären würde. Wieder ist das Glas voll, und Eddie leert es.
»Ich spiele dir jetzt ein Lied, das aus den sieben Tönen der Menschhaftigkeit besteht. Aus allen Gefühlen, die du als Mensch und als Vampir empfinden wirst. Erinnere dich an dieses Lied, und du wirst dich auch an mich erinnern. Singe dieses Lied, und ich werde bei dir sein.«
    Warum hat er das zu mir gesagt? Hat er mir damit überhaupt irgend etwas gesagt? Habe ich die ganze Sache nicht vielleicht bloß geträumt? Ich hatte gerade Ray verloren. Im Unterbewußtsein muß ich mich nach Trost gesehnt haben. Bestimmt habe ich mir alles bloß eingebildet. Doch selbst wenn dem so ist, hat mir diese Einbildung mehr Freude
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