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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut
Autoren: Christopher Pike
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Hacke ihm seinen Scheißkopf ab. Schwarzes Blut sprudelt heraus, und ich kicke seine amputierte Kokosnuß in eine Schachtel mit Eiskreme-Sandwiches. Ich lasse die Axt fallen und taste an der Tür herum. Ich habe Mühe, sie aufzukriegen, denn ich bin mit den Kräften am Ende.
Joel liegt im Sterben, als ich zu ihm komme. Eine Minute bleibt ihm noch, im besten Fall sind es zwei. Ich knie mich vor ihn hin und hebe seinen Kopf. Er öffnet noch einmal die Augen und bemüht sich, zu lächeln.
»Hast du ihn geschafft?« flüstert er.
»Ja. Er ist tot.« Ich verstumme und betrachte die Nadel, die noch immer in meinem Arm hängt, die Manschette und den Plastikschlauch. Diesen letzteren drehe ich zu, damit mein Blut nicht auf den Boden tropft. Ich fühle mich schuldig, während ich Joels Gesicht betrachte. »Weißt du, was ich bin?« frage ich.
Nur mit Mühe bringt er das Wort hervor. »Ja.«
»Willst du sein wie ich?«
Er schließt die Augen. »Nein.«
Ich packe und schüttele ihn. »Aber du stirbst, Joel.«
»Ja.« Der Kopf fällt ihm auf die Brust. Sein Atem wird schwächer und schwächer. Noch einmal jedoch spricht er zu mir, spricht dieses eine süße Wort aus, das mir ins Herz schneidet und mich für ihn verantwortlich fühlen läßt: »Sita.«
Die Sekunden vergehen. Das tun sie immer. Selbst die Gewalt einer ganzen Sonne kann sie nicht für einen einzigen Augenblick anhalten, und so kommt in einem dieser Augenblicke der Tod, wie ein Dieb, der das Licht stiehlt und die Dunkelheit zurückläßt. Eddie hatte noch eine Ersatzspritze dabeigehabt. Sie liegt auf dem Wohnzimmertisch. Krishna nahm mir das Versprechen ab, keine neuen Vampire zu erschaffen, als Gegenleistung wollte er mir seinen Schutz und seine Gnade gewähren. Und obwohl ich ja doch einen erschaffen habe, Ray nämlich, ging Yaksha davon aus, daß ich noch immer in dieser Gnade lebe, weil ich Ray mein Blut ja nur gegeben habe, weil ich ihn liebte und deswegen retten wollte.
»Wo Liebe ist, da ist auch meine Gnade.«
Ich glaube, daß ich Joel retten kann. Ich sehe es als meine Pflicht an, das zu tun.
Aber liebe ich ihn auch?
Gott helfe mir: Ich weiß es nicht.
Ich stolpere ins Wohnzimmer und hole die Ersatzspritze. Sie paßt wie angegossen auf das Ende des Plastikschlauchs. Da ich die Manschette noch immer anhabe, liegt Druck auf meinen Venen, und mein Blut wird in seines fließen. Wie Ray vor einigen Wochen, so wird auch Joel jetzt für immer verändert werden. Doch während ich noch sein bewußtloses Gesicht betrachte, frage ich mich, ob überhaupt irgendein Wesen – ob sterblich oder unsterblich – das Recht hat, Entscheidungen zu fällen, die für immer Gültigkeit haben. Ich weiß nur, daß ich ihn vermissen werde, wenn er stirbt.
Ich setze mich neben ihn und halte ihn in den Armen. Dann führe ich ihm die Nadel in die Venen ein. Mein Blut fließt nun in seines. Aber wohin soll das führen? Während ich zurück auf die Couch sinke und alles um mich herum zu verschwimmen beginnt, wird mir klar, daß er mich vielleicht hassen wird am nächsten Morgen, der für ihn von nun an immer abends anbrechen wird. Er wollte nicht, daß ich es tue. Vielleicht wird er mich sogar töten für das, was ich getan habe. Aber ich bin schon so müde, daß mir das jetzt auch nichts mehr ausmacht. Er soll die Sache weiterführen.
Er soll der letzte Vampir werden.
    ENDE
(des zweiten Teils)
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