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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut
Autoren: Christopher Pike
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vergraben möchte. Daß ich Eddie keineswegs begehre, tut nichts zur Sache. Was aber sehr wohl etwas zur Sache tut, ist die Tatsache, daß ich nun endlich die Bedeutung von Krishnas Märchen begriffen habe. Ich bin das zauberhafte Mädchen. Der Revolver schwankt in Eddies Hand, und Eddie sieht mich in ganz neuem Licht. Er will jetzt nicht länger bloß mein Blut. Er will das ganze Blutgefäß drum herum, nämlich meinen Körper. Seelenruhig setze ich ein herausforderndes Lächeln auf. Zuvor hat er meiner Suggestionskraft widerstanden und meinen Liebhaber getötet. Jetzt aber wird er nicht länger widerstehen, und er wird es sein, der getötet wird.
Ich bin das hübsche Mädchen, von dem er in der Schule immer geträumt, es aber nie gehabt hat.
»Jemanden wie mich hast du noch nie gehabt«, sage ich sanft.
Ein neuer Ton. Eine neue Art der Zärtlichkeit.
Eddie leckt sich die Lippen.
»Jemanden wie mich wirst du nie sonst kriegen«, flüstere ich.
Ich brauche den Ton gar nicht zu singen. Er kommt von allein.
Eddie wird unruhig, zappelt hin und her vor Aufregung.
»Nie.« Mit feuchten Lippen forme ich das Wort.
Ein Ton noch. Ich kriege ihn kaum heraus.
Eddie läßt den Revolver fallen und packt mich. Wir küssen uns.
Ekel überfällt mich.
Ich lehne mich ein klein wenig zurück, damit er einen schönen Blick auf alles erhält, was ich zu bieten habe.
»Ich mag, wenn es kalt dabei ist«, sage ich.
Eddie begreift. Er ist ja auch ein Eismann, ein Kenner von tiefgefrorenen Leichen. Das ist eben sein Ding, und man sollte es ihm nicht allzu übelnehmen. Vor allem jetzt nicht, als er meiner Suggestion erliegt und mich nach hinten ins Haus zieht. Zu dem riesigen Eisschrank hin, wo er mitten in der Nacht immer so gerne nach Eis am Stiel gesucht hat. Ich bin sehr schwach, und Eddie zieht mich an den Haaren. Mit einem Ruck reißt er die dicke weiße Tür auf und wirft mich in den nebligen Frost hinein, in die kalte Schwärze, in der seine Augen nicht so scharf sehen wie meine und in der sich unser beider Abneigung gegen Kälte in etwa die Waage hält. Ich falle auf den Hintern, stehe aber schnell wieder auf und bemerke, daß Eddie mich mit seinem speziellen Blick anschaut. Bestimmt läßt er mich noch nicht mal die Kleider ganz ausziehen. Ich werfe Kopf und Haare zur Seite, hebe die rechte Hand und lege sie mir auf die linke Brust. Ein letztesmal pfeife ich den Ton.
Dann sage ich: »Am liebsten mache ich es im Dunkeln. Das macht die Sache für mich erst so richtig schön schmutzig.«
Damit drücke ich bei Eddie auf das richtige Knöpfchen. Er streckt das Bein aus, schließt mit dem Fuß die Tür hinter sich. Die Innenbeleuchtung ist kaputt, vielleicht gibt es ja auch überhaupt keine. Alles ist dunkel, alles ist kalt.
Ich höre, wie er auf mich zukommt.
Ich kann sogar vage seine Umrisse sehen, obwohl es hier drinnen kein Licht gibt. Seine leicht tapsigen Bewegungen verraten mir indessen, daß er mich gar nicht erkennen kann. Die Kälte hat sein Vampirblut also schon abgestumpft. Gut und schlecht zugleich. Je langsamer er ist, desto besser kann ich ihn mir vorknöpfen. Leider gilt das gleiche aber auch für mich. Mein einziger Vorteil ist, daß ich weiß, daß diese Abstumpfung einsetzt. Schlangen paaren sich leider nie in Winternächten. Der Eisschrank zügelt Eddies Leidenschaft, gerade jetzt, als ich sie am besten hätte brauchen können. Bevor ich noch einen Ton anstimmen kann, verharrt er mitten in der Bewegung. Er hat gemerkt, daß er mir in die Falle gegangen ist. Blitzartig dreht er sich zur Tür um.
Ich stelle ihm ein Bein. Er fällt zu Boden.
Die gesetzlichen Vorschriften für einen begehbaren Eisschrank besagen, daß wegen der Gefahr, daß sich jemand versehentlich darin einschließen könnte, immer eine Axt in ihm liegen muß, so daß sich der Eingeschlossene im Falle eines Falles damit befreien kann. In Eddies Eisschrank hängt die Axt an der Innenseite der Tür. Als Eddie hinfällt, springe ich ihm auf den Rücken, greife über seinen Kopf und schnappe mir die Axt. Ein Riesending. Ich hole hoch über dem Kopf damit aus, spüre das Gewicht ihrer scharfen Stahlklinge – und verspüre echtes Glück.
»Vanille, Erdbeer, Schokolade – was darf’s denn sein, junger Mann?« frage ich.
Rasch kommt Eddie wieder auf die Knie, tastet im Dunkeln nach mir, weiß, daß ich ganz in der Nähe bin. Weiß aber nicht, was ich in der Hand halte.
»Hä?« fragt er.
»Erdbeerrot?« brülle ich.
Mit Wucht lasse ich die Axt niedersausen.
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