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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut
Autoren: Christopher Pike
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unterhielten eine telepathische Verbindung; das war eine weitere Besonderheit an unserer Beziehung. Obwohl seine Verletzung ihn schmerzte, und obwohl die ganze Situation ihn mächtig unter Druck setzte, begriff er doch gleich, was ich vorhatte. Sein gesunder Menschenverstand half ihm ebenfalls dabei: Er wußte einfach, daß ich ihn in der Höhle haben wollte. Kaum merklich nickte er mir zu, drehte sich um und floh in die Nacht hinein. Leider zog er dabei eine Blutspur hinter sich her, die ich nur allzu deutlich wahrnehmen konnte.
Als er außer Sichtweite war, wandte ich meine Aufmerksamkeit Lord Tensleys Sohn zu, der keine Bedenken hatte, mich anzuschauen. Der junge Mann war kaum sechzehn, aber stark wie ein Ochse. Er hatte diese Art fröhlich ausdrucksloses Gesicht, daß man annehmen konnte, er würde im nächsten Leben Angriffsspieler im bezahlten Football werden und zwei Millionen Dollar pro Saison mit nach Hause nehmen. Zwar gab es zu der Zeit noch kein Football und schon gar keine Dollars, aber das macht ja nichts. Für manche Dinge und für manche Gesichter habe ich einfach ein Gefühl. Ich hatte vor, ihn so schnell wie möglich seiner großartigen Bestimmung entgegenzuschicken, wußte aber zugleich, daß ein so primitives Gehirn wie das seine nicht auf subtile Suggestionskraft reagieren würde. Ich trat also auf ihn zu und richtete den Blick fest auf ihn.
Dabei sagte ich ruhig und klar: »Euer Vater ist die Hexe. Tötet ihn, solange Ihr es noch vermögt.«
Der Junge wirbelte herum und trieb seinem Vater das Schwert in den Leib. Auf Lord Tensleys Gesicht entstand ein Ausdruck gewaltiger Überraschung. Er wandte sich mir zu, bevor er vom Pferd fiel. Natürlich lächelte ich ihn an.
»Ich weiß, daß Ihr eines von Harolds Bildern von mir bei Euch im Kabinett aufbewahrt«, sagte ich. »Für eine Hexe sehe ich gar nicht so übel aus, oder?«
Er wollte mir Antwort geben, statt Worten drang ihm aber nur ein Blutschwall aus dem Mund. Lord Tensley taumelte nach vorn und war tot, bevor er noch zu Boden kippte. Die Hälfte der Ritter suchte sofort ihr Heil in der Flucht, darunter der kräftige Sohn, die andere Hälfte stellte sich zum Kampf. Ich befaßte mich nur kurz und ohne großes Federlesen mit ihnen, vor allem, weil ich es wegen Harold ja eilig hatte.
Doch ich kam zu spät. Als ich ihn fand, lag er neben dem Pferd, das ich für ihn bereitgehalten hatte. Eine Arterie in seinem Arm war verletzt worden, und er war verblutet. Mein Harold: Ich habe ihn lange, lange vermißt. Bis heute bin ich nie nach Schottland gereist.
Und die Moral von der Geschichte? Ebenso schmerzhaft wie einfach: Mit bösartigen Männern kann man nicht herumstreiten. Sie sind einfach undurchschaubar. Während ich hier noch mit seiner Mutter im Arm auf Eddie warte, weiß ich bereits, daß er etwas Seltsames anstellen wird.
Doch eines verstehe ich noch immer nicht: die Moral von Krishnas Geschichte.
    15.
KAPITEL
    Von weitem schon dringt klar und deutlich Eddies Geruch zu mir. Er versucht auch gar nicht erst, sich an mich heranzuschleichen. Am Leben seiner Mutter liegt ihm wohl genausoviel wie an seinem eigenen. Er fährt mit der hier zulässigen Geschwindigkeit. Parkt vor der Tür. Zwei Paar Füße tappen die Verandastufen hoch. Eddie bringt doch allen Ernstes die Höflichkeit auf, anzuklopfen. Vom anderen Ende des Wohnzimmers her und mit meinem Revolver an Mamas Schläfe rufe ich ihm zu, daß er eintreten soll.
    Die Tür geht auf.
Eddie hat Joel beide Arme gebrochen. Sie hängen ihm schlaff an der Seite herab. Trotz seiner schrecklichen Schmerzen bemüht sich Joel, ruhig zu bleiben, und ich bewundere ihn dafür. Er hat eine Menge guter Eigenschaften, und ich mache mir wirklich etwas aus ihm. Auf der anderen Seite jedoch muß ich mir vor Augen halten, daß ich nicht das Schicksal der Menschheit für dieses eine Leben hier aufs Spiel setzen kann. Als Eddie ihn vor sich durch die Türe schiebt, wirft Joel mir ein mattes Lächeln zu, fast so, als wolle er sich bei mir entschuldigen. Dabei braucht er sich für gar nichts zu entschuldigen, obwohl er genau das Gegenteil von dem getan hat, was ich ihm aufgetragen hatte. Echter Mut – und das im Angesicht eines beinah sicheren Todes –, ist die seltenste Tugend auf Erden.
Eddie hat sich einen 10-Millimeter-Revolver besorgt, wie ihn das FBI benutzt. Er hält ihn dicht an Joel, und Joel wiederum dicht an sich. Eddie hat wirklich mit einem ernsthaftem Komplex zu kämpfen. Man könnte meinen, daß er seine
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