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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut
Autoren: Christopher Pike
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zusammen war, machte ich gerade eine meiner härteren Phasen durch. Normalerweise tue ich alles, um meine echte Identität geheimzuhalten, und es war keineswegs so, als wäre ich im schottischen Hochland herumgetollt und hätte jedem zufällig im Dunkeln vorbeigehenden MacFarland oder MacSchottieboy in den Hals gebissen. Aber zu jener Zeit, vielleicht einfach weil ich müde war und es satt hatte zu streiten, setzte ich die Kraft meiner Augen und meiner Stimme ein, um das zu bekommen, was ich wollte. Nach einer Zeit gelangte ich so natürlich in den Ruf, eine Hexe zu sein. Das machte Harold nichts aus, so wie es vor ihm schon Cleo nichts ausgemacht hatte. Beide waren Vordenker. Im Gegensatz zu Cleo jedoch wußte Harold, daß ich ein Vampir war und oft Menschenblut trank. So jemanden als Freundin zu haben, machte ihn regelrecht an. Auf seinen Bildern hatte ich oft Blut auf dem Gesicht. Ab und zu bat mich Harold auch, ihn in einen Vampir zu verwandeln, damit er nicht altern und sterben müßte. Doch er wußte von Krishna und dem Schwur, den ich ihm gegenüber abgelegt hatte, und daher übte er keinen Druck auf mich aus. Einmal malte Harold für mich nach meiner Beschreibung ein Bild von Krishna, und das war ein Werk, das ich mehr schätzte als alle anderen, bis es schließlich während des Zweiten Weltkrieges in England bei einem deutschen Luftangriff zerstört wurde.
    Weil ich Lord Tensley gemieden und dazu auch noch den Ruf erlangt hatte, eine Hexe zu sein, fühlte es der gute Mann als seine Gottespflicht, mich ergreifen und auf dem Scheiterhaufen verbrennen zu lassen. Ein Brauch, der später, während der Inquisition, noch in Mode kommen sollte. In gewisser Weise war Lord Tensley seiner Zeit voraus. Er schickte ein Dutzend bewaffneter Männer los, um mich zu holen, und weil Haralds gesamte Schutztruppe aus Hausmädchen, Dienern und Eseljungen bestand, trat ich den Männern allein gegenüber, bevor sie unser Schloß erreichen konnten. Ich schickte Lord Tensley die Köpfe seiner Männer mit einer Nachricht zurück: Die Antwort lautet nach wie vor nein. Ich erwartete, daß ihn das zumindest eine Zeitlang abschrecken würde, doch Lord Tensley war entschlossener, als ich es vermutet hatte. Eine Woche später entführte er meinen Harold und sandte mir nun seinerseits eine Nachricht, mit dem Inhalt, daß er mir Harolds Kopf schicken würde, falls ich mich ihm nicht auf der Stelle ergäbe. Lord Tensleys schwerbefestigtes Schloß zu stürmen wäre sogar für jemanden wie mich eine schwierige Aufgabe gewesen, und außerdem war ich der Meinung, ein bißchen vorgetäuschte Zusammenarbeit würde mir Harold letztlich schneller wieder zurückbringen. Ich sandte ihm erneut eine Nachricht zu: Die Antwort lautet ja, aber Ihr müßt mich holen. Bringt Harold mit.
    Lord Tensley brachte Harold und zwanzig seiner besten Ritter mit. Als ich sie herannahen hörte, schickte ich meine Leute weg. Keiner von ihnen war für den Kampf ausgebildet, und ich wollte nicht, daß sie getötet wurden. Ganz allein stand ich an diesem kalten, dunklen Abend mit Pfeil und Bogen oben auf meinem Schloßtor, als die Hexensuchtruppe auf ihren Pferden herangaloppierte. Die Atemwolken der nervösen Männer und Tiere erschienen im orangefarbenen Schein der zuckenden Fackeln wie Nessel aus einer anderen Galaxie. Lord Tensley hatte Harold auf seinem eigenen Pferd vor sich sitzen und hielt ihm ein Messer an die Kehle. Er rief mir zu, ich solle mich ergeben, oder er würde meinen Freund vor meinen Augen umbringen. Interessant an Lord Tensley war, daß er mich nicht im geringsten unterschätzte. Daß er vorsichtig sein würde, war verständlich, nachdem ich ihm die Köpfe zurückgeschickt hatte. Die Art und Weise jedoch, mit der er Abstand von mir hielt, Harold direkt vor sich behielt und es auch vermied, mir in die Augen zu schauen, machten mir klar, daß er wirklich glaubte, ich sei eine Hexe.
    Das war ein Problem. Normalerweise war es in der Vergangenheit – vor dem Aufkommen moderner Waffen – so, daß ich mich aus den meisten brenzligen Situationen mit purer Kraft und Schnelligkeit befreien konnte. Ein Pfeil, der auf mich abgeschossen, ein Speer, der auf mich geschleudert wurde: Ich brauchte mich bloß zu ducken oder ihn noch in der Luft zu packen. Niemand hatte je die Chance, mich im Schwertkampf zu besiegen, selbst dann, wenn ich gar kein Schwert in der Hand hielt. Erst als Schußwaffen entwickelt wurden, mußte ich vorsichtiger vorgehen und meinen Kopf
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