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Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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über ihr Haus senkte, dachte sie daran, daß sein Hund jetzt wohl tot war. Sie nahm ihr Hundebaby auf den Schoß. Es hing glatt und warm zwischen ihren Händen. Sie schmiegte ihr Gesicht in das weiche Fell und nahm den Geruch in sich auf. Nein, er war kein Ersatz. Er war nur etwas, womit ihre Finger sich beschäftigen konnten. Sie drückte gern die kleinen Hundeohren an den Kopf, um sie dann hochschnellen zu sehen, wenn sie sie losließ. Sie mochte die kleinen Pfoten mit den seltsamen Tretkissen. Sie spielte gern mit dem glatten Schwanz. Oft saß sie lange mit dem Hund vor dem Kamin und starrte in die Flammen.
    Aber der März kam, und dann der April. Und alles gab nach wie ein brechender Damm, und eine heftige, plötzliche Schneeschmelze setzte ein. Die Hänge schäumten über, es strömte von den Dächern. Langsam kam Helgas Garten wieder zum Vorschein. Die Beete keimten, vorsichtig und hellgrün. Ab und zu kam Marion zu Besuch. Sie ging gern mit dem kleinen Hund spazieren.
    Die Menschen quollen aus ihren überhitzten Häusern, sie rissen Fenster und Türen auf. Liefen ins Freie, hoben ihre Gesichter in die Sonne. Es war immer wieder ein Wunder. Die Muntersten wählten den Weg ans Meer, wo die Luft noch immer kühl war. Aber sie liebten das Rauschen der Wellen und das Plätschern am Strand. Kinder suchten nach glatten Steinen. Mütter hielten die Hände ins Wasser, bekamen eine Gänsehaut und lachten. Eine frische Brise wehte zum Land hin. Ab und zu kam eine Welle, die sich besonders wichtig nahm und tüchtig brausen wollte, ehe sie sich am Strand brach. Eine Frau und ein Kind schauten aufs Wasser hinaus.
    »Schau mal, da kommt ein Boot!« rief sie. »Ein Tanker! Der ist riesengroß!«
    Der Junge ließ das Schiff nicht aus den Augen. Er konnte den weißen Schaum vor dem Bug nicht sehen, dazu war es zu weit weg. Und es erschien ihm als eine Unendlichkeit von Zeit, bis die erste Welle herangerollt kam. Eine gewaltige Kraft preßte das Wasser zur Seite, und die Brecher wuchsen und rollten mit immer größerer Wucht auf den Strand zu.
    »Hilfe«, rief die Mutter. »Wir müssen weiter das Ufer rauf!«
    Der Junge heulte vor Freude. Sie wichen lachend zurück, begeistert von der Kraft der Natur. Von ihrem neuen Standort aus konnten sie den Kadaver nicht sehen, der dicht unter dem Wasserspiegel langsam hinund herrollte. Er kam unerbittlich näher. Die Wellen schlugen heftig an Land, und eiskalte Gischt traf ihre Wangen. Die Frau lachte ein helles, perlendes Lachen.
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