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Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Titel: Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)
Autoren: Jay S.
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etwas angetan habe und dass sie mich nicht einen einzigen Anruf machen lassen. Irgendetwas stimmt hier nicht.
    Ich erzählte dem Arzt die Geschehnisse der letzten Tage, ohne dabei die Seltsamkeiten zu erwähnen. Als ich ihm erklärte, dass Emilia mich angerufen hatte, um zu sagen, dass sie Amy an jenem Samstag abholen wolle, entgegnete er, das könne nicht sein. Ich überredete ihn dazu, die Hotline meiner Telefongesellschaft anzurufen, um zu beweisen, dass am Abend zuvor ein Anruf von ihrer Nummer eingegangen war. Er rief an, schüttelte den Kopf und hielt mir das Telefon hin.
    Die Dame aus dem Callcenter behauptete tatsächlich, dass an jenem Abend kein Anruf auf meiner Nummer eingegangen sein soll. Irgendetwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu.
    Ich habe lange genug gewartet. Amy wird bestimmt noch immer von diesem Psychopathen gefangen gehalten. Heute Abend werde ich von hier verschwinden. Um 18h wird der Pfleger die Tür öffnen, um den Wagen mit dem Abendessen in die Abteilung zu bringen. Das wird meine Chance sein…
     
    Ich falte das karierte Notizblatt zusammen und lege es zu den anderen unter die Matratze. Eigentlich habe ich zuvor nie so etwas wie ein Tagebuch geführt, aber diesmal will ich etwas in der Hand haben. Vielleicht werde ich darüber eines Tages einen Artikel schreiben.
     
    Es ist 17:30 Uhr, ich stehe in der Warteschlange für die Medikamentenausgabe. Eine Anreihung apathischer Gestalten, die alle paar Sekunden brav ein kleines Schrittchen vorwärtsgehen.
    Wie immer bereite ich mich innerlich auf das Tablettenversteckmanöver vor. Immer schön dem Pfleger in die Augen sehen. Auf keinen Fall Unsicherheit zeigen. Ich schlucke die Tabletten wie alle anderen hier. Ganz brav. Wie es sich für einen Irren gehört.
    „Steiner“, sage ich zu dem jungen Mann mit Dreitagebart und weißem Kittel. Ihn habe ich noch nie hier gesehen. Auf seinem Namensschildchen steht Stefan Keller, Pflegeassistent.
    Assistent. Dem wird mein kleiner Trick bestimmt nicht auffallen. Ich nehme die zwei weißen und die kleine blaue Tablette entgegen, werfe sie in meinen Mund und nehme mit einem dankenden Nicken den Wasserbecher in die Hand, den er vorbereitet hat. Ich setze den Becher an, jongliere mit der Zungenspitze schnell die drei kleinen Dinger hinter die Backenzähne und will gerade mit Wasser die Luft in meiner Mundhöhle hinunterspülen. 
    „Moment! Öffnen Sie bitte ihren Mund.“, herrscht mich der Assistenzpfleger an. Ich setze meinen verwirrtesten Blick auf und nehme, ohne darauf einzugehen, einen Schluck Wasser. 
    „Herr Steiner, bitte den Mund öffnen.“, widerholt er.
    Also spiele ich mit. Ich öffne den Mund und bete, dass die Tabletten schön brav hinter meinen Backenzähnen haften bleiben. Ein bitterer, brechreizerzeugender Geschmack läuft langsam meine Kehle herunter.
    Der Assistenzpfleger inspiziert flüchtig meine Mundhöhle, ohne jedoch mein Versteck zu entdecken. Der Trick, die Zunge anzuheben, um ihm das Gefühl zu geben, dass dies der einzige Ort in meinem Mund ist, an dem ich die Tabletten verstecken könnte, scheint zu funktionieren.
    Ich werfe ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und verschwinde in meinem Zimmer, um meinen Mund auszuspülen und noch einmal den Fluchtplan durchzugehen.

Kapitel 38
    Es ist 17:48 Uhr, ich sitze am langen Holztisch neben der Eingangstür und zähle die Sekunden. Ich bin froh, dass ich während meinem Aufenthalt fast immer meine Jeansjacke getragen habe, denn deshalb scheint sie auch jetzt niemandem aufzufallen.
    Vor mir liegt ein Stapel veralteter Zeitschriften. Ich blättere ein paar davon mit gespieltem Interesse durch. Angefangene Kreuzworträtsel, Weihnachtsrezepte, Prominente, für die sich keiner mehr interessiert. Doch dann stoße ich plötzlich auf etwas, was mir bekannt erscheint. Ein Artikel über das Massaker an einer Primarschule. Dann kommt mir wieder in den Sinn, dass es dieselbe Ausgabe einer unserer Konkurrenzzeitschriften ist, die ich zuhause auf meinem Küchentisch liegen habe. Ich frage mich, wieso in einer Psychiatrie mit angeblich an Schizophrenie leidenden Menschen solche Artikel herumliegen. Schaut sich die Magazine denn niemand an, bevor sie den Patienten vor die Nase gelegt werden? Ich beginne, zu lesen.
     
    Es ist der letzte Augusttag 2005. Und für zahlreiche Schüler und Lehrer der letzte überhaupt.
    Traditionsgemäß sollte an diesem Tag wie jedes Jahr die zweitägige Schulreise mit Übernachtung im Freien stattfinden. Die
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