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talon006

talon006

Titel: talon006
Autoren: Shion
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Talon Nummer 6

    „Shion“

    von
    Thomas Knip

    Talon stellte sich vor die drei Personen, die ihn begleiteten und wies sie mit einer Handbewegung an, zurück zu bleiben. Sein Blick löste sich keinen Augenblick von dem gewaltigen Raubtier, das sich lauernd aus dem Unterholz des Dschungels näherte.
    Der Löwe stieg über die Überreste der zerfallenen Mauern und postierte sich auf einem von der Witterung gezeichneten Marmorblock, der wie eine Kaimauer aus dem grünen Dickicht ragte. Seine von schwarzen Strähnen durchsetzte Mähne wehte leicht in kühlen Wind des anbrechenden Abends.
    Die Sonne ging nun rasch unter. Einem endlosen Band gleich schob sich ein pastellfarbenes Gewebe aus blauen und purpurroten Streifen über den Himmel.
    Talon trat langsam nach vorne, als er sich sicher war, dass der Löwe keinen Angriff plante. Seine Gedanken tasteten sich vorwärts, suchten das Bewusstsein der großen Raubkatze, die ihn aus ihren bernsteinfarbenen Augen kalt musterte. Ein kurzes Grollen reichte, um dem Mann anzuzeigen, wie weit er sich nähern durfte.
    Er hielt inne und begegnete dem Blick des Löwen.
    [Es gibt keinen Grund, feindselig zu erscheinen, mein Freund], lösten sich fremdartige Laute von Talons Lippen, die die kleine Gruppe, die hinter ihm wartete, nicht zu verstehen vermochte. Doch der Löwe verstand sie. Und er zuckte merklich zusammen.
    [Du sprichst unsere – – ?] Momente vergingen voller Stille. Unruhig scharrte die Raubkatze mit der linken Vorderpfote über den groben Stein. [Es gibt hier kein Durchkommen. Der Zugang zu diesem Ort ist solchen wie euch untersagt. Geht!]
    Ein heiseres Fauchen begleitete die Aufforderung.
    Unwillig warf Talon einen Blick zurück und schüttelte dann den Kopf.
    [Ich muss hier durch!], beharrte er.
    Der Löwe knurrte den Menschen ungeduldig an. Sein massiver Kopf ruckte nach vorne und taxierte Talons Augen.
    [Dies ist Shions Reich. Ich dachte, die Wächter hätten euch klar gemacht, dass der Dschungel in dieser Zeit für euch tabu ist.] Die dunklen Augen blitzten bedrohlich im schwindenden Sonnenlicht. [Kehr’ um, bevor ich nicht mehr gewillt bin, dir zuzuhören!]
    Talon konnte deutlich sehen, wie sich die Muskeln des Löwen unter der ockerfarbenen Haut anspannten. Die Raubkatze war offensichtlich zum Sprung bereit und nicht mehr gewillt, eine weitere Warnung auszusprechen. Um gegen den Angriff gewappnet zu sein, verlagerte er sein Gewicht und schob das linke Bein zurück. Er scharrte mit der Ferse eine kleine Kuhle frei, um einen besseren Halt zu finden. Dann breitete er die Arme aus und beugte den Oberkörper vor. Sein Atem ging hastig, und er spürte, wie er trotz der einsetzenden Kälte zu schwitzen begann.
    [Dann musst du mich mit Gewalt aufhalten!] entgegnete er nur und knurrte den Löwen an.
    Die Antwort erfolgte in einem lauten Brüllen. Aus dem Stand sprang die Raubkatze von ihrer erhöhten Stellung auf Talon zu. Hinter dem gebleckten Maul leuchteten die scharfen Zähne matt auf. Heißer Atem schlug dem Mann des Dschungels entgegen.
    Der Aufprall warf ihn fast von den Beinen. Er hatte die Arme nach oben gerissen und den schweren Kopf des Raubtieres gepackt. Immer wieder stießen die Zähnen gegen die Unterarme und schnitten kleine Wunden in die Haut.
    Der Löwe warf den Kopf hin und her und versuchte sich aus der Umklammerung zu lösen. Seine Pranken zuckten vor und stießen jedes Mal ins Leere. Voller Wut brüllte das Tier auf und verstärkte seinen Angriff.
    Talons heiseres Brüllen vermischte sich mit dem Grollen des Löwen. Im Augenblick konnte er sich der Attacken nur mühevoll erwehren. Die Sehnen traten dick an seinen Unteramen hervor. Nach wie vor ließ er den Kopf des Löwen nicht los und zwang das schwere Tier dazu, auf seinen Hinterpfoten zu tänzeln, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Doch alleine die Masse des Löwen setzte Talon schwer zu. Er konnte den Bewegungen nur folgen, wenn die Raubkatze mit ihren Tatzen nach ihm schlug.
    Ein schwerer Hieb erwischte ihn an der rechten Seite. Blutige Striemen zeichneten die Spur der Krallen nach.
    Sein Atem ging hastig. Schweiß lief ihm in Bächen über den von Staub verschmierten Körper und mischte sich mit dem Blut aus vielen kleinen Wunden zu roten Schlieren, die den muskulösen Körper bedeckten. Talon spürte, dass er den Löwen nicht mehr lange auf Distanz halten konnte. Er musste selbst in die Offensive gehen, wollte er eine Chance gegen die Überlegenheit des Löwen erhalten. Die Muskeln in
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