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talon006

talon006

Titel: talon006
Autoren: Shion
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junge Frau konnte aus der Stimme deutlich die Unsicherheit heraushören, die den Mann erfüllte. Jetzt, da er sein Ziel erreicht hatte, schien er sich nicht darüber klar zu sein, wie es weiter gehen würde.
    Sie erreichten das Ende des langen Flurs. Janet legte die Hand auf eine der Mauern. Der Stein fühlte sich warm, fast lebendig an.
    „Und die Abmessungen“, fuhr sie fort. „Als ob es nicht für Menschen gemacht worden s- “
    „Still!“, wurde sie von Talon unterbrochen.
    Der Flur mündete in einer schmalen Tür, die einen Blick in den Raum dahinter preisgab. Das Kuppelgewölbe deutete auf eine riesige Halle hin, die sich vor ihnen erstrecken musste. Talon legte sich auf den Boden und schob sich vorsichtig zum Rand des Absatzes vor, der nur wenige Schritt hinter der Tür ins Leere führte. Seinen Augen eröffnete sich ein weitläufiges, flach ansteigendes Forum, das besetzt war von Tausenden und Tausenden an Löwen. Die Tiere wirkten, als sei ihnen unbehaglich. Als seien auch sie aus einer Trance erwacht, die sie hierher geführt hatte. Keiner von ihnen wollte sich an diesem Ort aufhalten.
    Und doch blieben sie, um auf etwas zu warten. Erfüllt von Unruhe und Nervosität.
    Die Gruppe hatte sich hinter Talon auf dem Absatz versammelt. Auch von ihnen wagte keiner, bei dem Anblick einen Laut von sich zu geben. Sie beobachteten nur die stille Unruhe, die die Tiere beherrschte. Ein Chor aus Knurren und Grollen durchzog die treppenartigen Reihen, die sich wie Ringe nach oben zogen.
    Dann, mit einem Mal, war es still.
    „Gott, sehen Sie!“, konnte sich Alice nicht zurückhalten.
    In der Mitte des Kuppelsaals erhob sich ein kreisrundes Podest aus dem Boden. Es hatte gut zehn Meter im Durchmesser und waberte gleichförmig in dem hellen Schein, der alles hier erleuchtete. Das Licht jedoch wich einem Schatten, der durch den Stein glitt und sich verdichtete. Aus der Tiefe des Podests drang gleißende Dunkelheit empor. Fetzen schwarzen Lichts zuckten aus dem Stein empor und explodierten in grellen Schatten. Und aus der Dunkelheit formte sich Schwärze.
    Das Schemen eines gewaltigen Löwen schälte sich aus der lichtlosen Substanz. Und es begann zu atmen. Zu leben.
    Aus dem blutroten Rachen, der das Maul des Wesens bildete, drang ein Brüllen, das die ganze Halle durchdrang. Einen Moment noch hielten die Löwen inne, dann stimmten sie in den Ruf ein und antworteten dem Schatten in einem vielstimmigen Chor.
    Talon erzitterte. Sein ganzer Körper bebte und schrie danach, die Spannung mit aller Macht zu entladen.
    „Shion“, flüsterte er stattdessen nur tonlos.
    Eugene Mauris drehte sich überrascht zu ihm um.
    „Was? Wer-?“, setzte er an. Doch dann bemerkte er den hünenhaften Schatten, der sich in der Türöffnung abzeichnete.
    „Oh, du Scheiße“, entfuhr es ihm beim Anblick der beiden Männer. Sie waren mit kaum mehr bekleidet als einem knappen Lendentuch. Doch umso auffälliger war der bunte, mächtige Kopfschmuck, der sich wie eine Löwenmähne um ihren kahlgeschorenen Kopf legte. In ihren Händen hielten sie gewaltige Speere, die sie zum Stoß bereit erhoben hatten.
    „Ketzer!“, grollte einer der beiden Männer mit bronzefarbener Haut voller Abscheu. „Ihr seid des Todes!“

    Fortsetzung folgt in

    Talon Nummer 7

    „In den Hallen“

    © Copyright aller Beiträge 2004 by Thomas Knip. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung. Kontakt unter [email protected] .
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