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Schnitzelfarce

Schnitzelfarce

Titel: Schnitzelfarce
Autoren: Gmeiner-Verlag
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1
    Der Gestank in dem Kellerabteil war
atemberaubend. Kein Wunder, der alte Mann, der hier seit fünfzehn Tagen
aufbewahrt wurde, hatte vor mehr als 72 Stunden das letzte Mal die Möglichkeit
gehabt, sich notdürftig zu waschen. Seit seinem letzten Gang auf das total
verdreckte WC waren auch schon fast 34 Stunden vergangen.
    Den an sich rüstigen 76-Jährigen störte das aber
nicht mehr sonderlich. Seit dem harten Schlag auf den Kopf und die dadurch
bedingte schwere Verletzung seines Schädels war er die meiste Zeit bewusstlos
gewesen. Er hatte noch nicht einmal richtig registriert, dass man ihm vor 28
Stunden den Ringfinger der linken Hand abgehackt hatte. Jenen Finger, an dem er
den Siegelring seines Großvaters getragen hatte.
    In den seltenen Momenten, in denen er aus den barmherzigen
Tiefen seiner Ohnmacht auftauchte, brachte er keine klaren Gedanken mehr
zustande. Lediglich Empfindungen, vor allem der dumpf pochende Schmerz in
seiner linken Hand und der unangenehme salzig-metallische Geschmack in seiner
ausgedörrten Mundhöhle beherrschten den spärlichen Rest seines schon wieder im
Schwinden begriffenen Bewusstseins. Schemenhaft liefen verschiedene Bilder vor
seinem geistigen Auge ab, die nur mehr zum geringeren Teil Gefühle bei ihm
auslösten. Vor allem das kleine Mädchen, ihr Name war Miriam, da war er sich
absolut sicher, tauchte immer auf. Sie schien sich auf etwas zu freuen, das mit
ihm zu tun haben musste. Er versuchte sich zu erinnern, ihm fiel aber nicht
ein, womit er ihr eine Freude hatte machen wollen.
    Auch Magdalena verschaffte sich Präsenz, seine Frau, die schon
vor längerer Zeit von ihm gegangen war. Ein dumpfes Krächzen seiner Stimme war
der akustische Beweis dafür, dass ihn dieser Gedanke amüsierte. Wie hatte man
mit ihm getrauert, als er plötzlich nach 37 gemeinsamen Jahren alleine
zurückgeblieben war. Die hatten alle keine Ahnung gehabt, wie einsam ein Mann
neben einer Frau wie seiner Magdalena hatte sein können. Zumindest die letzten
zwanzig Jahre. Er hatte nie verstehen können, wie aus der entzückenden jungen
Frau, die er geliebt und geheiratet hatte, eine derart herrschsüchtige,
frustrierte und nervtötende Person hatte werden können. Die Seelenmesse zu ihren
Ehren war für ihn vor allem auch der Startschuss für ein neues Leben gewesen.
Ein Leben, das noch einige sehr schöne Augenblicke für ihn bereit gehalten und das er sehr genossen hatte. Und das jetzt langsam aber sicher zu
Ende ging.
    Er hatte keine Angst vor dem Tod, auch keine davor, nicht mehr
zu leben. Auch die Schmerzen beim Sterben bereiteten ihm kein Kopfzerbrechen,
denn viel peinigender als in den vergangenen Stunden konnten sie kaum mehr
werden.
    Das Einzige, was ihm als einigermaßen gläubigen Katholiken etwas
Sorge bereitete, war der Gedanke, im Himmel möglicherweise wieder auf Magdalena
zu treffen. Aber vielleicht kam er ja gar nicht in den Himmel. Oder Magdalena
terrorisierte schon seit Jahren die armen Seelen im Fegefeuer. Und überhaupt,
wer konnte schon sagen, ob die ganze Sache mit dem ewigen Leben überhaupt
stimmte und nicht nur ein Marketinggag der Kirche war?
    Er versuchte noch, sich bei Miriam dafür zu entschuldigen, dass
er seine Zusage nicht würde einhalten können. Das letzte Bild, das er wahrnahm,
war das seiner verständnisvoll lächelnden jüngsten Enkelin, die ihm offenbar
verziehen hatte.
    Dann stellte sein seit Jahren geschwächtes, schon bisher nur
mehr unter Einsatz entsprechender Medikamente funktionierendes Herz seine
Arbeit ein. Der alte Mann fiel endgültig in das tiefe, dunkle Loch, aus dem es
kein zurück mehr gab. Der Tod trat exakt um 3.47 Uhr an diesem Samstagmorgen
ein. Genau am fünfzehnten Tag nach der gewaltsamen Entführung des Mannes. Einer
Entführung, von der bisher offiziell noch gar nichts bekannt war.
     
    * * * * *
     
    Palinski war heute noch früher aus den Federn
gekrochen als sonst. Leichtsinnigerweise hatte er Wilma, der Mutter seiner
beiden Kinder und »Frau, die er seit 24 Jahren nicht geheiratet hatte«,
versprochen, einen Parkplatz für ihren PKW zu suchen. Am Tag des traditionellen
Straßenfestes in der Döblinger Hauptstraße eine äußerst anspruchsvolle und zeitraubende Aufgabe. Immerhin mussten so an die vierhundert
oder auch mehr Fahrzeuge, die üblicherweise zwischen Gürtel und Hofzeile
abgestellt waren, dem temporären, bis 18 Uhr geltenden Halteverbot weichen.
    Nach einigen erfolglosen
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