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Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Titel: Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)
Autoren: Jay S.
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Kapitel 1
    Was würdest du tun, wenn etwas Schlimmes geschehen ist, aber dir niemand glaubt?
    Was, wenn du nach Hilfe rufst, aber dich niemand hört?
    Was, wenn das Bild eines geliebten Menschen vor deinen Augen zerrinnt?
     
    Kapitel 1
     
    Es ist nur ein Foto, das Gesicht eines kleinen Mädchens, eines von zig Millionen. Ich muss mich abgrenzen, aufhören daran zu denken, was es bedeuten würde, wenn es mein Kind wäre. Ihre leuchtend blauen Augen, so unschuldig und voller kindlicher Naivität scheinen mich direkt anzustarren. Ich halte das Foto näher unter den Lichtschein meiner Schreibtischlampe, suche zum x-ten Mal den Hintergrund nach irgendetwas Verdächtigem ab. Als könnte ich mithilfe eines Fotos auch nur die geringste Spur finden, als könnte ich es damit ungeschehen machen. Ich bin kein Detektiv, ich bin nur Journalist, einer von vielen. Ich weiß nicht, wieso mich gerade dieser Fall so beschäftigt, warum mich das Gefühl nicht loslässt, dass irgendwie mehr dahinter steckt.
     
    Ich lege das Foto zurück in die Mappe und starre dabei geistesabwesend auf das Etikett mit der Aufschrift Vermisst . Meine anfängliche Freude über das Okay des Redaktionsleiters rückt immer mehr in den Hintergrund. Ich beginne, mich zu fragen, was es für einen Sinn hat. Emotionen wecken, ins Schwarze treffen, falsche Lorbeeren von meinen Arbeitskollegen ernten, vielleicht ein kleiner Schritt näher Richtung Chefetage. Doch was ist mit den Vermissten, ihren Familien und Freunden? Die Leute werden den Artikel lesen, schockiert, berührt, getroffen. Dann werden Sie ihn weglegen, sich wieder um ihre eigenen Probleme kümmern, ihre Katzen füttern, ihren Rasen mähen, alles vergessen. 

    Ein leises Klopfen reißt mich aus dem Gedankenstrom. Noch bevor ich herein sagen kann, öffnet sich die Tür, völlig lautlos und so langsam, dass ich mich für ein paar Sekunden wie in Zeitlupe versetzt fühle. Ein paar traurig schauende, königsblaue Kinderaugen blicken aus der Dunkelheit des Korridors in meine Richtung. 
    „Wieso bist du denn noch wach?“, fragt mich Amy mit ihrer hellen, verschlafenen Stimme.
    „Das sollte ich wohl besser dich fragen, meinst du nicht auch?“, werfe ich die Frage zurück an meine Tochter. Mit skeptischem, auf meinen Schreibtisch gerichteten Blick stolziert sie ins Arbeitszimmer auf mich zu, stützt demonstrativ ihre kleinen Hände auf die Hüfte und fragt: „Wann musst DU denn morgen aufstehen?“
    Ich blicke auf den Augenlosen Teddybär, der mit zusammengequetschten Beinen in ihrer Pyjamahosentasche steckt.
     
    Ich kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken, hebe sie auf meinen Schoss und antworte: „Ok, eins zu null für dich. Du kommst wirklich ganz nach deiner Mutter. Kannst du wieder mal nicht schlafen?“ 
    Amy schüttelt dreimal länger den Kopf als nötig, lässt dabei ihre blonden Haare durch die Luft fliegen und sagt: „Doch schon, wollte nur mal nach dir schauen.“
    „Das ist aber nett von dir“, antworte ich lachend.
    „Wieder der böse Hamster, der dich nicht schlafen lässt?“, frage ich sie mit gespieltem wütendem Blick. Amy nickt, wie immer dreimal länger als nötig und sagt leise: „Ich glaube, er will in die Ferien fahren.“ Obwohl ihr Hamster schon eine ganze Weile nicht mehr unter uns weilt, scheint sie nach wie vor eine enge Verbindung mit ihm zu pflegen.
     
    „Ach so. Und meinst du denn, er will dich mitnehmen?“, frage ich sie.
    „Ja, ganz bestimmt.“, antwortet Amy hastig und setzt dabei ihr berüchtigtes Ich-will-dir-damit-was-sagen-Lächeln auf.
    Ich hoffe, dass sie Bedauern in meinem Blick erkennt, als ich antworte:
    „Sorry Kleine, aber da müsst ihr euch wohl noch ein Weilchen gedulden.“
    Amy setzt ihr Das-kannst-du-nicht-machen-Schmollen auf und hopst mit einem Satz von meinem Schoss hinunter. „Dann musst du jetzt schlafen gehen, damit du mehr Geld verdienst.“, sagt sie mit ermahnendem Blick und verlässt erhobenen Hauptes mein Arbeitszimmer. Für eine siebenjährige macht sie schon ziemlich wirtschaftliche Grundüberlegungen.
     
    Ich weiß nicht, was nun schlimmer ist; ein Kind zu verlieren oder nicht zu wissen, ob es noch lebt. Ich denke, Machtlosigkeit ist der erdrückendste aller Schmerzen. Immer ist nur die Rede davon, wie sich Kinder an Ihre Eltern klammern, doch eigentlich ist es doch umgekehrt. Wenn sie weg wäre, würde ich mich völlig alleine wiederfinden. Ihre Mutter, die sich vor fünf Jahren von mir scheiden ließ, würde mich für
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