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Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Titel: Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)
Autoren: Jay S.
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den Rest des Lebens für ihr Verschwinden verantwortlich machen, ich würde mich isolieren, dem Rest der Welt aus dem Weg gehen und wie eine seelenlose Puppe vor mich hinleben, nachdem ich irgendwann die Suche aufgegeben haben würde.
     
    Ich lege das Foto weg, und diesmal nehme ich es auch nicht drei Sekunden später wieder aus der Mappe. Die Kleine hat Recht. Wenn ich mehr verdienen will, muss ich mehr schlafen.
     

Kapitel 2
    Ich erwache mit dem gleichen mulmigen Gefühl, mit dem ich eingeschlafen bin. Seit meinen letzten Ferien im April habe ich kaum noch eine Nacht länger als fünf Stunden geschlafen. Ich frage mich, ob sich mein Körper schon daran gewöhnt hat oder ob ich einfach nur in einem tranceartigen Zustand gelandet bin, in dem ich zwischen Wachheit und Müdigkeit nicht mehr unterscheiden kann.
    Schlaftrunken blicke ich auf die grünleuchtenden Ziffern auf dem Display meines Radioweckers. 30.08.2012, 05:32h, in dreizehn Minuten würde sich der Radiosender einschalten. Ich habe keine Ahnung, wozu ich eigentlich noch den Wecker stelle, wenn ich sowieso immer vorher erwache.
     
    Auf dem Weg zur Dusche komme ich am Zimmer meiner Tochter vorbei. Die Türe ist wie immer einen Spalt weit offen. Ich spähe durch den Spalt auf ihr Bett, in dem sie zusammengerollt wie eine Schnecke unter der viel zu dicken Decke liegt. Die ersten Sonnenstrahlen fallen vom Fenster in der Dachschräge auf den Boden zwischen ihrem Bett und dem schmalen Holzschrank. Noch hat sie die Tür einen Spalt weit offen, doch in ein paar Jahren schon wird sie wohl wie bei allen Mädchen in dem Alter verschlossen sein, vielleicht mit einem knallroten Keep-Out -Schild, wie man es von den amerikanischen Teenie-Filmen kennt. Ich frage mich, was für Musik sie eines Tages hören wird, was für Typen sie nach Hause schleppen, was für Noten sie in der Schule erreichen wird. Und ob sie vielleicht plötzlich ihre Meinung ändern und doch noch zu ihrer Mutter ziehen würde.
     
    Ich verwerfe den Gedanken, wende mich vom Zimmer ab und gehe ins Bad.
    Ein viel zu bleiches Gesicht mit dunklen Rändern, die farblich wohl irgendwie zu den grauen Augen passen, blickt mir ausdruckslos entgegen. Ich frage mich, ob bei einem Interview eigentlich anders geantwortet wird, wenn der Journalist rasiert ist und merke wie sich mein Mund bei dem Gedanken solch banaler Einflüsse fast schon zu einem Lächeln verzieht. Im gleichen Moment fällt mir auf, dass meine Haare eigentlich schon lange wieder einen Besuch beim Frisör vertragen würden. Ich hasse meine Locken, ich habe sie schon immer gehasst und werde wohl auch nie verstehen können, wie man darauf neidisch sein kann. Manchmal fühlt es sich wirklich so an, als würde man mit einem Vogelnest auf dem Kopf herumspazieren.
     
    Ich entscheide mich für die rasierte Variante und nehme die Einweg-Rasierklinge in die Hand, die in meinem Fall eigentlich Fünfzigweg-Rasierer heißen müsste. Die Klinge wirkt ungefähr noch so scharf wie ein Holzlöffel, doch wenn meine Tochter in die Ferien fahren will, kann ich mir jetzt keine neuen leisten. Ich greife nach der Rasierschaumflasche, sie ist auffällig leicht und noch bevor ich draufdrücke kommt mir wieder in den Sinn, dass sie schon seit Wochen leer ist. Entnervt lege ich sie zurück auf den Waschbeckenrand und schmiere mein Gesicht mit Handseife ein.
    Das leise Kratzen der Rasierklinge lässt mich abschweifen, ich verliere mich in meinem Spiegelbild. Mit Druck fahre ich die Klinge über meine viel zu große Gurgel hinauf Richtung Kinn.
    Dann stoße ich einen leisen Fluch aus und starre im Spiegel auf den kleinen Schnitt unter meinem Kinn, den ich mir gerade zugefügt habe. Eine dunkelrote Blutspur vermischt sich mit dem Schaum, ich rasiere mich, diesmal ein wenig konzentrierter zu Ende und wasche die Seife und das Blut mit unnötig viel kaltem Wasser ab.
    Mein Kleiderschrank lässt mich nicht lange nachdenken, ich schnappe mir die blauen Jeans und das schwarze Polohemd, springe unter die Dusche, ziehe mich an und sehe wieder aus wie der typische Journalist, der sich keine vernünftigen Kleider leisten kann.
     
    Wie immer verlasse ich die Wohnung ohne Frühstück. Ich nehme mir eine Zigarette aus der Packung, die seit fast zwei Wochen in meiner Jeansjacke steckt und zünde sie mit dem vorletzten Streichholz an. Eigentlich hatte ich schon vor einer Ewigkeit aufgehört zu rauchen, doch irgendwann entwickelte ich die sinnlose Angewohnheit, am Morgen vor einem Interview
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