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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif
Autoren: Isabel Morf
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ihren Angestellten erzählen.
    »Und wie willst du beweisen, dass ich die 4.000 Franken geklaut habe?«, hatte sich Markus gewehrt.
    »Wer spricht denn davon?« Hugo hatte sein überlegenes, triumphierendes Lächeln aufgesetzt, das der Mechaniker schon an ihm gesehen hatte. Aber diesmal galt es ihm.
    »Meinst du, deiner Chefin würde es gefallen, wenn sie wüsste, dass sie einen, wie dich angestellt hat? Fristlos würde sie dich entlassen.«
    Hugo hatte alles von ihm gewusst. Seine Mitgliedschaft bei den Neonazis. Die Kündigung bei Landolt. Aber woher?
    »Dass du keine Weltreise mit dem Fahrrad gemacht hattest, hatte ich schnell raus«, klärte ihn Hugo auf. »Denn im Unterschied zu dir war ich wirklich unterwegs. Was du erzählt hast, war nur Quatsch. Da habe ich mich natürlich gefragt, was du denn sonst in dieser Zeit gemacht hattest. Nur so aus Neugier, weißt du. Ein bisschen Recherche, ein bisschen Glück – and here we are. Ja, mein Guter, du hast wirklich Dreck am Stecken. Ich schlage vor, du übergibst mir die gesamte Kohle. Du hast einen sicheren Job mit einem festen Lohn. Im Gegensatz zu mir. Ich muss schauen, wie ich durchkomme. Die 4.000 sind natürlich nur die erste Rate.«
    Hugo verlangte alles. Und Nachschub. Wie er es mit Sibel gemacht hatte. Genauso, wie er es mit Sibel gemacht hatte. Das hatte er ihm ja heute vorhalten wollen. Jetzt war er selbst reingelegt worden. Markus wurde erst ganz kalt. Dann stieg die Wut hoch, in schnellen Schüben. Immer höher. Schwarz. Oder rot. Markus konnte es nicht unterscheiden. Es war auch egal. Er stand mit Hugo oben an der Treppe. Woher er plötzlich den Hammer hatte, hätte er nicht sagen können. Er schlug auf Hugo ein. Mehrmals. Rot. Schwarz. Hugo fiel die steile Treppe hinunter und rührte sich nicht mehr. Markus schlich einige Stufen hinunter. Hugo war tot. Jetzt nichts wie weg. Aber halt, zuerst den Hammer abwischen. Und: Wie war Hugo hereingekommen? Es durfte nichts auf ihn, Markus, hindeuten. Seine Gedanken liefen wild durcheinander. Er holte aus der Kasse den Reserveschlüssel. Tappte hinunter, überwand sich, Zeigefinger und Daumen des toten Hugo daraufzudrücken und ihn ihm in die Hosentasche zu schieben. Dann nichts wie weg. Die Hintertür offen lassen. Wer hatte Hugo umgebracht? Egal. Nicht er. Jeder konnte reinkommen durch die offene Tür. Jetzt nach Hause. So schnell wie möglich. Und ruhig werden. Sibel durfte nichts merken.
    Sibel hatte keinen Argwohn gehabt. Sie war sofort bereit gewesen zu bezeugen, dass er den ganzen Abend bei ihr gewesen war. Weshalb ihn einem Verdacht aussetzen, bloß weil er allein ein Bier trinken gegangen war? Markus war erst mit der Zeit aufgegangen, warum sie so rasch willens gewesen war, für ihn zu lügen. Umso besser. Die Sache schien für ihn erledigt. Kein Verdacht fiel auf ihn. Spuren? Klar gab es Fingerabdrücke, Fußspuren, weiß Gott was alles von ihm im Laden. Er hatte ein Alibi. Er hatte Hugo Tschudi gekannt. Ja. Und?
    Fast zwei Wochen später hatte die Zweifel ihn angerufen. Die alte Hexe. Er hatte angenommen, dass sie ihn nicht mehr erkannt hatte. Es war schließlich über 20 Jahre her. Er hatte sofort gewusst, wer sie war, als sie zum ersten Mal ins Geschäft gekommen war. Er hasste sie noch wie damals. Er war sieben gewesen. Sie erwachsen. Seine Lehrerin. Und er einer der schlechtesten Schüler der Klasse. Mangelhafte Noten. Nach drei ungenügenden Zensuren musste man zu Hause das Heft unterschreiben lassen. Er hatte es nicht über sich gebracht. Hatte die Unterschrift seines Vaters kopiert. Einen halben Nachmittag lang geübt. Schließlich ins Heft gesetzt. Unsicher. Verzittert. Sie hatte es gemerkt. War unerbittlich geblieben. Und er war von seinem Vater verdroschen worden wie selten. Drei Tage konnte er nicht in die Schule gehen. Die Mutter hatte ihm zu essen gebracht. Ohne mit ihm zu reden. Und als er wieder in den Unterricht ging, hatte das Miststück von Lehrerin ihn nicht einmal gefragt, warum er drei Tage nicht gekommen sei. Sie hatte es genau gewusst. Aber es war ihr egal gewesen.
    Jetzt war er hier gestrandet. Als Angestellter in diesem Laden, was er täglich als Demütigung empfand. Und wer ging hier ein und aus, um seine Erniedrigung vollständig zu machen? Die alte Paukerin. Er tat so, als kenne er sie nicht. Zog sich in den hinteren Teil der Werkstatt zurück, wenn sie auftauchte. Offenbar hatte sie ihn doch erkannt. Rief ihn an und wollte mit ihm reden. Er hatte keinen blassen
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