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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif
Autoren: Isabel Morf
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wenn er abends heimkam. Und zwar nicht irgendetwas Türkisches mit Schafkäse und komisch gewürztem Hackfleisch oder so, sondern Cervelatsalat. Oder Käsewähe. Oder Teigwarengratin mit Schinken. Und wenn er nicht heimkam, weil er auf ein Bier ausging, nahm sie es hin. Nachts eine Frau neben ihm im Bett. Manchmal legte sie im Schlaf einen Arm um ihn. Er lag dann ganz still, bewegte sich nicht, damit sie sich ja nicht von ihm wegdrehte. Es kam vor, dass er wach blieb, nicht einschlafen wollte, weil er sich wünschte, sie würde sich zu ihm umdrehen und ihn umarmen. In jener Nacht, in der er Hugo getötet hatte, hatte sie schon geschlafen, als er heimkam. Er hatte sich neben sie gelegt, gewartet, regungslos, aber sie hatte ihn nicht berührt. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, sie seinerseits in den Arm zu nehmen.
    Auf ein Bier ging er ab und zu mit Hugo Tschudi. Das war eine neue Erfahrung. Einen Kollegen zu haben. Die Typen von der Neonazigruppe, das war etwas anderes gewesen. Dort hatte man nicht über Persönliches geredet, sondern nur über diesen Scheißstaat, der den Linken und den Juden mit ihren Zapfenlocken alle Macht ließ und die Asylanten verhätschelte. Hugo hingegen interessierte sich für ihn.
    Ja, ja, es war nicht richtig, wie Valerie Markus behandelte, das war ihm schon aufgefallen. Wie sie sich als Chefin aufspielte. Dabei hatte die doch gar keine Ahnung. Tat nur so, als ob sie über alles Bescheid wüsste. Und manchmal musste sie Markus zu Hilfe rufen, weil sie für etwas zu wenig Kraft hatte. Die beiden Männer lachten überlegen. Hugo, der nur Wasser trank, bestellte Markus ein weiteres Bier. Er lud ihn meist ein. Winkte ab, wenn Markus protestierte. Und Markus, der, wenn es ans Bezahlen ging, schon einiges intus hatte, ließ ihn gewähren. Hugo, das war ihm in solchen Momenten klar, war ein echter Freund. Verstand ihn. Unterstützte ihn.
    »Willst du dir von der Valerie alles gefallen lassen?«, hatte er einmal gefragt. »Du musst dich doch wehren.«
    Markus, schon ein wenig angetrunken, hatte zufrieden gekichert. Na, ja. Schließlich hatte er erzählt, dass er sich schon ein bisschen schadlos hielte. Hie und da etwas raustrug. Und selbst verkaufte. Hugo hatte die Schultern gezuckt. »Nicht schlecht für den Anfang. Aber das tut der doch nicht weh. Weißt du, was die für Gewinne einstreicht?«
    Markus wusste es nicht. Er hatte keine Gewinne eingestrichen, als er selbstständig gewesen war. Aber das sagte er nicht. Er ließ sich von Hugo darlegen, dass Valerie mit dem Laden massig Geld verdiente, und in ihm meldete sich wieder die Wut.
    Hatte Hugo vorgeschlagen, er solle sich mal richtig bedienen, oder war es seine eigene Idee gewesen? Jedenfalls war plötzlich die Gelegenheit da gewesen und Markus hatte sie genutzt. 4.000. Und es wusste niemand davon. Er brauchte davon keinen Rappen an die verhassten Gläubiger zu bezahlen. Er könnte mit Sibel Ferien machen. In Thailand. An einem einsamen Strand. Im Spätherbst. Nach Saisonende. Er würde ihr erzählen, er habe gespart. Er war in Hochstimmung gewesen bis zur Mittagspause. Bis er Sibel im Café traf. Aufgewühlt. In Angst. Was er mit diesem Hugo zu tun habe? Wieso? Ein Kollege halt. Und dann hatte Sibel es ihm erzählt. Zitternd. Wie er reagieren würde? Hugo hatte Sibel verarscht? Für Markus geriet alles durcheinander. Die Freude über die 4.000 Franken. Eine leise Angst, erwischt zu werden. Eine schwarze Wut auf Hugo. Er hatte Sibel beruhigt. Sie war heimgegangen, während er am Nachmittag bei der Arbeit noch schweigsamer war als sonst.
    Er war an dem Abend auf dem Heimweg, als Hugo ihn auf dem Handy anrief. Er müsse ihn dringend sprechen. Nein, nicht in einer Kneipe. Ungestört. Am besten im Laden. Um 21 Uhr. Das war Markus recht. Er würde Hugo zur Rede stellen, was dieser wohl nicht erwartete. Es hatte in seinem Kopf keinen Raum für Gedanken darüber, was Hugo von ihm wollte. Er ging heim, aß mit Sibel, sagte, er gehe auf ein Bier.
    Und plötzlich war Hugo ganz anders gewesen. Statt ihm zu gratulieren zum gelungenen Diebstahl – Mensch: 4.000, großartig, was? –, hatte er ihm eröffnet, er habe ihn dabei beobachtet. Na ja. Und? Sie hatten es doch zusammen besprochen gehabt. Aber Hugo hatte alles Komplizenhafte verloren. Markus hatte mit einiger Verzögerung begriffen, was Sache war. Hugo, der ihn zu dem Diebstahl angestiftet hatte, erpresste ihn jetzt. Verlangte von ihm das gesamte Geld. Sonst werde er Valerie einiges über
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