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Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Kevin Emerson
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1

    Das erste Mal ertrank ich gleich an meinem zweiten Tag in Camp Eden. Es war der Morgen nach meiner Ankunft, und ich hatte schon drei Viertel der Schwimmprüfung geschafft, als sich der Krampf, der sich die ganze Zeit in meiner Seite angekündigt hatte, zu einem festen Knoten zusammenzog. All meine Muskeln versteiften sich, meine Beine versagten den Dienst, und ich ging unter.
    Beweg dich! , dachte ich verzweifelt, aber der Befehl schaffte es nicht mehr bis in Arme und Beine. Der Krampf war wie eine heiße Faust, die immer fester zupackte. Ich wollte mich zur Oberfläche kämpfen, fand mich aber nur von Wasser und Luftblasen umgeben. So wild ich auch um mich schlug und versuchte, die Aufmerksamkeit der anderen dort oben auf mich zu lenken, sie schwammen vorbei, ohne mich zu bemerken.
    Ich wusste, ich hätte gar nicht im Wasser sein, die Prüfung gar nicht erst mitmachen sollen. Ich hatte es aber trotzdem versucht, und zwar ihretwegen: Lilly, Rettungsschwimmerin und Juniorbetreuerin. Jemand wie Lilly beeindruckte man nicht, wenn man schon vor ein paar Bahnen kapitulierte. Und Lilly zu beeindrucken war mir wie die wichtigste Sache der Welt vorgekommen, zumindest solange ich noch auf dem Trockenen war.
    Ich konnte verschwommen ihren roten Badeanzug sehen, wie sie da oben stand und uns im Auge behielt. Na ja, zumindest alle anderen. Anscheinend hatte ich noch keinen allzu großen Eindruck bei ihr hinterlassen, sonst hätte sie mich jetzt wohl bemerkt.
    Aber das war ich gewohnt.
    Ich sank tiefer, ins kühlere Wasser. Meine Arme er schlafften, zu müde waren meine Muskeln, zu lähmend die Schmerzen. Der Druck auf meinen Ohren nahm zu. Es wurde dunkler um mich herum.
    In meiner Brust machte sich eine unausweichliche Gewissheit breit: Owen, gleich musst du atmen. Ganz sachlich, so als hätte ich ein paar kleine Techniker in gelben Overalls in mir, die meine Körperfunktionen auf ihren Monitoren verfolgten. So hatte ich mich immer schon gefühlt: Als hätten andere das Sagen über mich, als wäre ich bloß eine Art Passagier.
    Der Techniker, der meinen Herzschlag überwachte, tuschelte mit seiner Nachbarin, die für den Sauerstoff im Blut zuständig war. Auf ihrem Bildschirm blinkte es bedrohlich, untermalt von einem durchdringenden Piepston. Ich kann auch nichts dran ändern , sagte sie. Wir brauchen einfach Luft.
    Der Drang wurde immer stärker, wie ein Ballon, der sich in meiner Brust aufblähte. Ich musste atmen – aus, dann ein. Selbst wenn da draußen nur Wasser war. Das war mir mittlerweile fast egal.
    Das war alles , schaltete sich ein anderer Techniker ein, der die letzten Reste Sauerstoff aus meinen Lungen verschwinden sah.
    Nein! Ich konnte doch nicht … Doch der Körper ist eine schlichte Maschine. Er rechnet nicht damit, dass man vielleicht gerade unter Wasser ist, wenn er atmen will. Wahrscheinlich kommt er einfach nicht darauf, dass man so dämlich sein kann. Und wenn doch, gab es ja immer noch drei Milliarden andere Menschen, die nicht so blöd waren – dann waren es die eigenen Gene wohl einfach nicht wert, dass man sie weitergab. Nur die Besten machten das Rennen, so funktionierte das doch. Andererseits hatte es mal zehn Milliarden Menschen auf der Welt gege ben, und ich wagte zu bezweifeln, dass der Tod von siebzig Prozent der Spezies Teil des Plans gewesen war. Vielleicht war es Zeit für die Gene, noch mal von vorn anzufangen.
    Ich aktiviere jetzt die Notatmung , sagte ein anderer Techniker.
    Uns bleibt keine Wahl , sagte seine Kollegin am Sauerstoff.
    Nein … nein … Überall Druck. Ich kämpfte darum, meinen Mund geschlossen zu halten. Ich konnte den Krampf noch unter Kontrolle bringen, dann auftauchen …
    ATME!
    Nein! Ich musste durchhalten, durchhalten …
    Doch mein Mund öffnete sich trotzdem.
    Längliche Luftblasen platzten heraus. Hilflos musste ich mit ansehen, wie sie blubbernd zur Oberfläche drängten. Wasser strömte ein und begrub mich unter seinem schieren Gewicht, meine Lungen füllten sich mit Eiseskälte  – so kalt!  –, und einen kurzen Moment war der Schmerz unerträglich.
    Dann war es vorüber. Die Schmerzen waren schlagartig verschwunden und hinterließen eine eigenartige Stille. Es erinnerte mich an die Trockengewitter, die wir daheim öfter hatten und die ebenso plötzlich vorbei sein konnten: kein Donner mehr, kein Wind, nur das Knacken von Holz auf der versengten Erde und das Flüstern der Felsen.
    Alles war auf einmal so ruhig. Wann hatte ich mich zuletzt so
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