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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif
Autoren: Isabel Morf
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Schimmer, worum es gehen könnte. Willigte widerstrebend ein, sie zu treffen. Um 21 Uhr im Laden. Hatte kein gutes Gefühl dabei. Führte sie ins Büro. Und dann kam die und erklärte ihm, sie habe gesehen, wie er vor zwei Wochen 4.000 Franken einsteckte. Habe es gefilmt. Auf dem Computer gespeichert. Nein, sie wollte ihn nicht erpressen. Sie sülzte herum, begann von früher zu reden, ja, von jener alten Geschichte. Es fiel ihr sichtlich schwer. Sagte, sie wolle es diesmal nicht wieder so machen wie damals. Es sei ein Fehler gewesen. Ein Fehler. Was nützte ihm das, 25 Jahre später? Sie verlangte von ihm, das Geld zurückzulegen. Valerie zuliebe. Dann würde sie nicht zur Polizei gehen. Sonst schon. Das Geld zurücklegen. Es war ein Hohn. Die schwarze hitzige Wut kam über Markus. 25 Jahre später mischte sich diese Person wieder in sein Leben, drohte, es kaputtzumachen.
    Nein, er hatte sie nicht getötet. Vielleicht hätte er. Aber es war nicht nötig gewesen. Er hatte sich vor ihr aufgebaut. Breitschultrig, vierschrötig, vor der kleinen alten Frau. Er hatte ihr gedroht. Mit allem, was ihm einfiel. Er würde sie … Sie war förmlich in sich zusammengesunken.
    »Ich will doch mit Ihnen reden«, hatte sie gesagt. »Ich möchte etwas wiedergutmachen.«
    Wiedergutmachen? Was hatte die für eine Ahnung. Sie hatte Angst bekommen vor ihm.
    »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen für damals«, hatte sie beteuert. »Aber ich möchte, dass Sie ehrlich durchs Leben gehen. Es ist besser.«
    »Du alte Hexe!«, hatte er sie angeschrien. Endlich hatte er es ihr ins Gesicht gesagt, was er immer gedacht hatte. Plötzlich hatte sie die Hand ans Herz gelegt, komisch gekeucht und war zusammengesackt. Hatte dagelegen. Vor ihm auf dem Boden. Tot. Scheiße. Er hatte sie womöglich noch mehr gehasst. Was sollte er jetzt tun? Einfach abhauen ging nicht. Sie war klein. Schmal. Leicht. Er beugte sich zu ihr herunter und nahm ihr den Wohnungsschlüssel aus der Tasche. Schlich sich zu ihr nach Hause, steckte den Laptop in seinen Rucksack, ging zur Limmat, die Sihl führte zu wenig Wasser, und schmiss ihn hinunter, beruhigt, dass das Beweismittel damit aus der Welt geschafft war. Dann schlich er zurück. Wartete bis Mitternacht. Hob die tote Frau auf. Trug sie hinauf, hinaus auf die Straße. Er hatte Glück. Niemand sah ihn, wie er sie ablegte, dicht an eine Hausmauer. Als er sie so daliegen sah, tot und wehrlos, kam noch einmal die Wut in ihm hoch. Schutzlos sah sie aus, dabei war sie ein solches Dreckstück, eine Intrigantin, dieses Scheißweib, das ihm sein Leben hatte verderben wollen. Er versetzte ihr einige heftige Tritte und machte sich davon. Fuhr heim und legte sich zu Sibel ins Bett.
    Das wusste der Polizist nun alles. Er hatte ihm bestätigt, dass er die alte Zweifel nicht umgebracht hatte. Dass sie von allein abgekratzt war. Wenn schon, verdient hätte sie es. Darauf wäre es nun wirklich nicht mehr angekommen. Es kam jetzt auf gar nichts mehr an.
     
     
     

3. Teil
    Beat Streiff blätterte den Bericht durch. Das Tötungsdelikt Tschudi Hugo war aufgeklärt. Am Montag würde er seine Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft übergeben. Selbstverständlich auch Zita Elmer. Möglicherweise war sie enttäuscht, dass er sie, nachdem sie an den Ermittlungen beteiligt gewesen war, vom Verhör ausgeschlossen hatte. Aber das hatte er allein durchziehen müssen. Wenn Stüssi glaubhaft machen konnte, im Affekt gehandelt zu haben, würde seine Strafe nicht allzu hoch ausfallen. Dass Tschudi ein Erpresser war, konnte belegt werden. Sibel Evren würde in diesem Punkt eine wichtige Zeugin zugunsten des Angeklagten sein. Und vielleicht würden noch mehr Opfer von Tschudi den Mund auftun. Streiff klappte den Bericht zu. Das war Markus Stüssis Geschichte.
    Der Täter war ermittelt, die Sache abgeschlossen. Abgeschlossen? Er hatte sich etwas vorgenommen für diesen Moment. Vor einer Woche. Im Weissen Schloss. Es machte ihn nervös. Sollte er es auf morgen verschieben? Er konnte seine Chancen nicht recht einschätzen. Aber morgen waren sie kaum größer als heute. Jedenfalls wollte er die Sache anders angehen als beim ersten Mal. Weniger formlos. Auf einen Notizblock kritzelte er ›Blumen‹. Dann griff er zum Telefon.
     
     
     
    E N D E
     
     
     
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