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0045 - Der Höllensumpf

0045 - Der Höllensumpf

Titel: 0045 - Der Höllensumpf
Autoren: Franc Helgath
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Dass man über Charley Marne viele Worte verliert, wäre eigentlich nicht nötig. Nur spielt er in dieser Geschichte unbeabsichtigt eine Hauptrolle, und man kann ihn deshalb nicht unerwähnt lassen. Es war im Übrigen die einzige Hauptrolle, die Charley Marne in seinem kurzen, verpfuschten Leben als Schmierenkomödiant jemals gespielt hatte, und es ist beinahe schon selbstverständlich, dass es auch seine letzte war.
    »Du bist ein Scheusal«, sagte Dan Askins zu seinem Partner und über das trockene Tuckern des Außenborders hinweg. »Nun lass diese Ratte doch endlich in Ruhe. Siehst du nicht, dass der Stinkkerl schon aus dem letzten Loch pfeift? Hör endlich auf, ständig mit den Füßen auf ihm herumzutrampeln. Er erstickt uns noch am Knebel, bevor du ihm die Kehle aufschneiden kannst.«
    Mit der »Ratte« war eben dieser Charley Marne gemeint, und das »Scheusal« hieß mit bürgerlichem Namen Jeff Gruber.
    Der gefesselte und geknebelte Charley Marne strampelte wie wild auf dem Boden des Holzkahns. Er war sich seiner misslichen Lage durchaus bewusst, doch das half ihm nichts. Im Gegenteil: Es ist ein scheußliches Gefühl, haargenau zu wissen, dass man in wenigen Minuten umgebracht wird. Man konnte Charley Marne zwar allerhand nachsagen, aber nicht, dass die Tapferkeit zu seinen Tugenden gehört hätte, wie der Komödiant überhaupt nur sehr, sehr wenige Tugenden aufweisen konnte.
    Für einen Mann ohne Format wie ihn, war es idiotisch gewesen, sich mit dem Syndikat anzulegen. Er hatte sich ein paar größere Scheiben vom Kuchen abschneiden wollen, weil er zufällig etwas aufgeschnappt hatte, was den Bossen Kopf und Kragen kosten konnte.
    Aber Charley Marne war eben nicht nur ein schlechter Schauspieler sondern auch noch ein viel miserablerer Erpresser gewesen.
    Deshalb lag er jetzt am Boden eines Holzkahns mit abgeblättertem Außenanstrich, dessen Farbe auch am Tage nur schlecht erkennbar gewesen wäre. Nässe drang durch die Ritzen zwischen den Bootsplanken und tränkte die Kleidung jenes Mannes, dessen Karriere noch weit unrühmlicher enden sollte, als er sich das je vorzustellen gewagt hätte.
    In wenigen Minuten schon.
    Jeff Gruber starrte auf das verschnürte Bündel hinunter. Wieder verspürte er jenes Zucken in den Beinen. Jeff Gruber hieb gern auf Hilflose ein. Es gehörte zu den kleinen, unscheinbaren Freuden, die er sich manchmal gönnte, wenn das Syndikat ihm Gelegenheit dazu bot. Auf das, was sein Partner Dan Askins gesagt hatte, antwortete er erst gar nicht.
    Er mochte Askins so wenig wie all die anderen, die er kannte, weil er spürte, dass er nur Dreck für sie war. Dabei sollten die Leute vom Syndikat ruhig freundlicher zu ihm sein. Es stimmte schon: er war nur ein bezahlter Mörder und zuständig für die Dreckarbeit, aber ein Mann wie er war eben notwendig in einem Unternehmen wie diesem.
    Jeff Gruber lächelte leicht in der Dunkelheit, als er sich dieses Umstands bewusst wurde. Es war ein schönes Gefühl für einen Mann, gebraucht zu werden, eine Aufgabe zu haben.
    Der Mond schien stellenweise durch das Blätterdach des Mangrovenwaldes. Das Summen von unzähligen Mücken lag in der stillen Luft und übertönte fast noch das Tuckern des Diesels. Das Mondlicht sickerte auch herunter bis auf den trügerischen Flusslauf, unter dessen spiegelglatter Oberfläche die Kaimane noch das kleinste Übel waren. Denn darunter dehnte sich der Sumpf, der schmatzend seine Opfer einschlürfte und nie wieder freigab.
    Am Tage zerpflügten flachkielige Touristenschiffe die Fluten, und Touristen ergötzten sich an der Fremdartigkeit dieses Sumpfwaldes mit seinen riesigen Blüten und den Luftwurzeln, die die Bäume aussehen ließen, als würden sie wie auf Krakenbeinen gehen. Sie ließen pausenlos die Verschlüsse ihrer Fotoapparate klicken, um Lianen, sich spiegelnde Astformationen, bunt gefiederte exotische Vögel und die träge in der Sonne dösenden Alligatoren auf den Film zu bannen. Sie genossen dabei wohlig die kalten Schauer, die die dumpfschwül lastende Hitze ein wenig erträglicher machten. Sie genossen den Nervenkitzel, nur einen halben Meter über dem sicheren Tod dahinzugleiten.
    Doch jetzt war es Nacht, und die Männer im Boot waren keine Touristen. Sie waren Mörder des Syndikats, wobei Dan Askins lediglich den Erfüllungsgehilfen von Jeff Gruber abgab. Askins mochte Aufträge dieser Art nicht, wenngleich er einsah, dass sie erfüllt werden mussten. Charleys Pech war, dass er so gute Ohren hatte
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