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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif
Autoren: Isabel Morf
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Arbeitsoverall. Man hatte ihm seine braune, grob gestrickte Wolljacke und etwas zu essen gebracht. Streiff bedeutete ihm, sich ihm gegenüber zu setzen. Zwischen ihnen stand Streiffs Schreibtisch, auf dem rechts neben dem Telefon ein Pelikan aus Porzellan seine Flügel ausgebreitet hatte und seinen Schnabel reckte.
    »Wir haben bei Ihnen eine Hausdurchsuchung durchgeführt«, begann er. »Sie wissen wohl, was wir gefunden haben?«
    Stüssi schwieg.
    »Unter anderem ein Schloss«, fuhr Streiff fort. »Ein Abus Granit Futura, ganz neues Modell, kostet über 135 Franken. Genau so eins, wie es aus dem FahrGut entwendet wurde.«
    Stüssi zuckte die Schultern.
    »Und zwei Pumpen für je 70 Franken. Werden ebenfalls von FahrGut geführt. Dort wurden zufälligerweise zwei davon geklaut. Bei Ihnen hingegen, Herr Stüssi, wurde weder eine Quittung noch ein Bestell- oder Lieferschein gefunden, rein gar nichts wurde entdeckt, was erklären würde, wie Sie zu diesen Gegenständen gekommen sind.«
    Stüssi antwortete nicht.
    »Es ist ja weiteres teures Zubehör aus dem FahrGut gestohlen worden«, setzte Streiff erneut an. »Ich frage mich natürlich: Haben Sie private Kunden, denen Sie unter der Hand günstig Waren verkauft haben, Waren, für die Sie gar nichts bezahlten?«
    Nun sagte Stüssi zum ersten Mal etwas. Drei Worte: »Beweisen Sie es.«
    »Ja, ja«, nickte Streiff gedankenverloren. »Schwierig zu beweisen, wenn es keine schriftlichen Unterlagen gibt. Keine Quittungen, keine Namenslisten. Ziemlich kompliziert, wenn jemand so außerordentlich schlau ist wie Sie.« Eine Sekunde Stille. »Aber wir können Ihnen etwas anderes beweisen.« Nun klang seine Stimme nicht mehr nachdenklich. Er tippte zwei, drei Befehle in den Laptop ein, der vor ihm stand, und drehte ihn anschließend um, sodass Stüssi auf den Bildschirm blicken konnte. Und er sah, was zuerst Frau Zweifel gesehen hatte, auf der Bank vor dem FahrGut, klein auf ihrem Handydisplay, dann Valerie auf ihrem Computer im Büro, zu guter Letzt Streiff, als er Valeries Attachment geöffnet hatte. Stüssi musste mit ansehen, wie er selbst in die Kasse langte, sich ein paar 1.000er-Noten griff und sie mit einer so raschen wie beiläufigen Bewegung in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Er zuckte zusammen.
    »Aber wie haben Sie«, stammelte er fassungslos. »Das Ding ist doch im …« Er brach erschrocken ab.
    »Aha«, bemerkte Streiff gelassen, »›das Ding‹ haben Sie also entsorgt.« Und er fügte hinzu: »Sie verstehen wohl nicht allzu viel von Computern und elektronischer Kommunikation?«
    Stüssi sah nicht so aus, als hätte er den Begriff ›elektronische Kommunikation‹ verstanden. »Ich weiß von nichts«, behauptete er und verschränkte die Arme vor dem Körper. Er starrte vor sich hin, vermutlich mit dem Mysterium beschäftigt, dachte Streiff sarkastisch, wie ein Videofilm, der in einem Computer steckte, den er höchstpersönlich beiseitegeschafft hatte, jetzt in einem anderen Computer auferstehen konnte.
    »Wie Sie sehen, können wir Ihnen beweisen, dass Sie die 4.000 Franken gestohlen haben«, erklärte Streiff. »Wenn Sie den Mund nicht aufmachen, verlängern Sie einfach Ihre Haft.«
    »Was wollen Sie denn noch?«, fragte Stüssi verstockt. »Sie haben die Filmaufnahme. Ich streite es nicht ab.«
    »Dieses und jenes«, sagte Streiff mit einer fast sanften Eindringlichkeit. »Kommen wir nochmals auf die Zubehördiebstähle zurück. Möchten Sie jetzt etwas dazu sagen?«
    Stüssi schwieg. Man sah förmlich, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er ist dumm, dachte Streiff, aber auch schlau. Und er kämpft um sein Leben.
    »Ja«, räumte Stüssi endlich ein. »Ich habe das Zeug genommen.«
    Streiff dachte: Er opfert einen Bauern, um den König zu retten. Aber er ist auf der Hut. Ich werde ihn überrumpeln.
    »Was war das für eine Neonazi-Gruppe, der Sie sich angeschlossen haben?«
    Stüssi war verwirrt. Worum ging es hier eigentlich? »Das ist lange her«, erklärte er, »Jahre. Ich bin schon lange nicht mehr dabei. Was hat das mit dem Diebstahl zu tun?«
    »Eine Mitgliedschaft bei einer Neonazi-Gruppe«, sagte Streiff nachdenklich. »Diebstähle am Arbeitsplatz. Gründe, die Sie Ihre Anstellung gekostet hätten, nicht wahr? Und das hätten Sie sich nicht leisten können, bei Ihren Schulden, die Sie seit Ihrem Konkurs abstottern. Das durfte unter keinen Umständen herauskommen, wie?« Er machte eine kurze Pause. »Sie waren ganz schön«, wieder eine
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