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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus
Autoren: Julia Kröhn
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I. Kapitel
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    Alaïs hoffte, dass Louise bald sterben würde.
    Nicht, dass sie ihr den Tod wünschte. Wäre es nach ihr gegangen, hätte Louise gerne weiterleben können: in jener verdreckten Fischerkate, die die anderen Frauen des Dorfs nur mit gerümpfter Nase betraten, weil Louise keine Ordnung zu halten wusste. Mit jener Schar Kinder, die entweder verschorft, verrotzt oder verlaust waren, in jedem Fall aber ständig plärrten. Mit ihrem maulfaulen Gatten, der mit seinen Fischen redete, jedoch nie mit seinem Weib. Nun, Worte hatte es keiner bedurft, um ein neues Menschenkind zu zeugen – und ein solches wand sich nun im Leib der armen Louise, die vergebens versuchte, es irgendwie herauszupressen und deren Kräfte sichtlich schwanden. Alaïs war sich sicher, dass Louise nach diesen langen Stunden der Qual ebenso dachte: lieber ein schneller Tod als ein langsames Warten darauf.
    Dass sich Louise unmenschlich quälen musste, immer schwächer wurde und schließlich halb ohnmächtig verstummte, anstatt das Balg endlich zur Welt zu bringen, tat Alaïs durchaus leid. Noch bedauerlicher fand sie freilich, dass sie selbst in der blut – und schweißerfüllten Luft ausharren musste, um ihrer Mutter Caterina zur Hand zu gehen. Diese stand der Gebärenden als Hebamme bei und war der Meinung, es sei für ein junges Mädchen hilfreich, beizeiten mehr über die Prozedur einer Geburt zu erfahren, mochte die Tochter auch – leider vergebens – entgegenhalten, dass sie am liebsten so wenig wie nur irgend möglich darüber wüsste.
    So musste sie stehen, bis ihr Kopf sich wie leer anfühlte, musste Leinentücher reichen, um das Blut zwischen Louises Schenkeln damit abzuwischen – hinterher klebte es unangenehm zwischen den eigenen Fingern –, und musste dann und wann frisches Wasser holen. Damit wurde Louises verschwitzte Stirn gekühlt und ein übel riechender Kräutersud über der offenen Feuerstelle gebraut. Jedes Mal, wenn diese Pflicht sie von der Qual befreite, im engen Raum zu sein, blieb Alais länger draußen am Brunnen stehen als nötig. Und jedes Mal rief ihre Mutter streng, sie solle sich nicht faul stellen und Zeit vertrödeln, es gehe schließlich um Louises Leben.
    Alais war sich freilich sicher, dass Louises Leben nicht in ihren Händen lag, genauso wie ihre Mutter schließlich nichts mehr auszurichten vermochte, um ihr zu helfen. Das sah sie an deren gerunzelter Stirn. Und die anderen Weiber des Dorfs, die sich neugierig und sensationsheischend in Louises Wochenstube zusammengerottet hatten, waren ebenso unfähig, die Qualen zu mindern.
    Alais verstand nicht, warum sie freiwillig blieben. Während sie anfangs noch beseelt zur heiligen Margaretha gebetet hatten, die gebärenden Weibern beistand, redeten sie nun so abfällig über die leise stöhnende Louise, als wäre sie schon tot.
    »Wahrscheinlich ist sie selbst schuld«, meinte Régine. »Schwangere sollen keine sauren, bitteren oder stark gewürzten Speisen zu sich nehmen, nur lang Gekochtes und Suppen. Auch Kälte schadet ihnen.«
    »Was weißt du schon, was sie gegessen hat?«, fuhr Alais' Mutter sie an.
    »Sicher nichts Anständiges!«, kam Ursanne Régine zur Hilfe. »Louises Mann ist ein Taugenichts, und jeder weiß, dass er die Fische fängt, die die meisten Gräten und das wenigste Fleisch haben.«
    »Das ist aber doch nicht ihre Schuld!«
    »Ach, Caterina!«, rief Régine und wischte sich den Schweiß von der eigenen Stirn. Bis eben noch war sie bestrebt gewesen,Gleiches bei Louise zu tun, doch das schien ihr mittlerweile eine verlorene Liebesmüh. Ein Zeichen, dass es zu Ende geht, dachte Alai's und lauschte auf Louises röchelnden Atem, um nicht zu verpassen, wann diese endlich den letzten Zug genommen hatte.
    »Ach, Caterina!«, wiederholte Régine. »Wäre sie klug gewesen, hätte sie sich dieses Kind gar nicht erst machen lassen!«
    »Ja, glaubst du denn, Remi hat sie vorher gefragt, ob er sich auf sie legen darf?«
    Das hatte er gewiss nicht getan, wo doch jeder wusste, dass Remi nur mit seinen Fischen sprach, aber nicht mit seinem Weib.
    »Das meine ich nicht«, erklärte Régine. »Aber jede Frau weiß, wie sie verhindert, dass sich ein Balg bei ihr einnistet. Sie muss sich nach dem Beischlaf sofort erheben, gähnen und durch die Nase schnauben. Wenn Louise daran gedacht hätte, dann müsste sie jetzt nicht sterben.«
    »Noch ist sie nicht tot!«, gab Caterina zurück, obgleich Alai's sah, wie sich die Sorgenfalten noch tiefer in
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