Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
aus dem Wald gelaufen kommen, zu seiner Mutter. Komm, mein Junge. Komm, Erich.
    Sie hörte ein hohes, gellendes Kreischen, ein Kreischen, das immer lauter und schriller wurde.
    »Aaaah… du Teufel aus dem Grab… Geh fort… Geh fort…«
    Eine Gestalt kam aus dem Wald getaumelt. Eine Gestalt mit einem Gewehr. Eine Gestalt in einem dunkelgrünen Cape, mit langen schwarzen Haaren, die der Wind in stumpfen Strähnen um den Kopf wehte, eine Gestalt mit starren Augen, das Gesicht eine Grimasse des Schreckens. Jenny stand auf. Die Gestalt blieb stehen, hob das Gewehr und zielte.
    »Erich, nicht schießen!« Sie hastete zur Tür, bewegte den Griff. Die Tür war zu. Sie war hinter ihr ins Schloß gefallen. Sie hob die Militärdecke an, um nicht über die am Boden schleifenden Zipfel zu stolpern, hastete die Verandastufen hinunter, rannte über die Wiese, während sie hinter sich Schüsse knallen hörte. Etwas Brennendes biß sich in ihre Schulter, es lief warm ihren Arm hinunter. Sie kam ins Taumeln, aber es gab keinen Platz, wohin sie laufen konnte.
    Das gräßliche Kreischen war jetzt hinter ihr. »Du Teufel, Teufel…« Rechts von ihr war der Kuhstall. Erich hatte ihn nie wieder betreten, seit Caroline gestorben war.
    Verzweifelt riß sie die Tür zu dem kleinen Vorraum auf, in dem die Milchkannen standen.
    Er war dicht hinter ihr. Sie rannte in den eigentlichen Stall. Die Kühe waren von der Weide hereingetrieben worden, waren bereits gemolken. Sie standen zwischen den Trenngittern und beobachteten sie mit mildem Interesse, fraßen von dem Stroh in der langen Krippe vor ihnen. Sie hörte dicht hinter sich Schritte.
    Blindlings lief sie zum anderen Ende des Stalls, lief so weit es ging. Dort war der Wassertank, und dort war der Verschlag für die neugeborenen Kälber. Der Tank war leer. Sie drehte sich zu Erich um.
    Er war nur drei Meter weit entfernt. Er blieb stehen und fing an zu lachen. Er hob das Gewehr an die Schulter und zielte mit der gleichen Präzision wie damals, als er Randy erschossen hatte. Sie starrten sich an, Spiegelbilder in dunkelgrünen Capes, mit langen dunklen Haaren. Sein künstliches Haar war ungeschickt zu einem Knoten gesteckt; seine eigenen blonden Haare quollen unter der Perücke hervor und wirkten wie Ranken auf der Stirn.
    »Teufel… Teufel…«
    Sie schloß die Augen. »O Gott…«
    Sie hörte den Schuß, dann einen Schrei, der zu einem gurgelnden Stöhnen wurde. Aber nicht von ihren Lippen.
    Sie machte die Augen auf. Es war Erich, der zu Boden sank, Erich blutete aus Mund und Nase, seine Augen brachen, seine Perücke war stumpf vor Blut.
    Rooney stand hinter ihm und senkte die Flinte, »Das war für Arden«, sagte sie ruhig.
    Jenny sank auf die Knie. »Erich, die Mädchen, leben sie?«

    Seine Augen waren glanzlos, aber er nickte. »Ja …«
    »Ist jemand bei ihnen?«
    »Nein… Allein…«
    »Erich, wo sind sie?«
    Seine Lippen versuchten, Worte zu formen. »In…« Er griff nach ihrer Hand, krampfte die Finger um ihren Daumen. »Entschuldige, Mami… ich hab’ dir… nicht…
    weh tun wollen.«
    Seine Augen schlössen sich. Sein Körper zuckte noch einmal heftig, und dann fühlte Jenny, wie der Druck an ihrer Hand nachließ.
38
    Das Haus war voll von Menschen, aber sie sah sie nur als verschwimmende Schemen, wie auf einer Kinoleinwand.
    Sheriff Gunderson, die Männer des Leichenbeschauers, die mit Kreide um Erich herumgefahren waren und die Leiche dann fortgebracht hatten, die Reporter, die nach der Nachricht von den Fälschungen gekommen und wegen der weit größeren Story geblieben waren. Sie waren rechtzeitig dagewesen, um Erich zu fotografieren
    — in dem langen Cape, mit der blutverklebten Perücke, dem eigenartigen friedlichen Gesichtsausdruck des Todes.
    Sie hatten zur Hütte gehen und alles fotografieren dürfen, Carolines wundervolle Bilder, Erichs qualvolle Leinwände. »Je mehr Aufsehen wir machen, um so mehr Leute werden versuchen zu helfen«, hatte Wendell Gunderson gesagt.
    Mark war da. Er war es, der die Decke und ihre Bluse wegschnitt, die Wunde auswusch, desinfizierte und verband. »Das wird im Moment genügen. Es ist Gott sei Dank nur eine Fleischwunde.«
    Sie erschauerte bei der Berührung seiner langen, sanften Finger, die den brennenden Schmerz momentan zu überdecken schien. Wenn Hilfe möglich war, dann kam sie bestimmt von Mark.
    Sie fanden das Auto, mit dem Erich gekommen war, auf einem abgelegenen Feldweg der Farm. Er hatte es in Duluth gemietet, sechs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher