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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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warte auf dich und die Mädchen. Erich… Wenn du nicht herkommen möchtest, laß mich bitte zu euch kommen und bei euch sein.«
    »Nein, noch nicht. Bist du im Bett, Jenny?«
    »Ja, natürlich.«

    »Welches Nachthemd hast du an?«
    »Das grüne. Ich trage es jetzt oft.«
    »Ich hätte vielleicht doch reinkommen sollen.«
    »Ja. Ich wünschte, du wärst geblieben.«
    Eine Pause entstand. Im Hintergrund hörte sie Verkehrsgeräusche. Er mußte immer von demselben Anschluß anrufen. Er hatte vor dem Fenster gestanden.
    »Hast du Pastor Barstrom erzählt, daß ich böse auf dich bin?«
    »Natürlich nicht. Er weiß, wie sehr wir uns lieben.«
    »Jenny, ich habe versucht, Mark anzurufen, aber es war besetzt. Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Nein.«
    »Du hast wirklich mit Pastor Barstrom gesprochen?«
    »Du kannst ihn anrufen und fragen.«
    »Nein. Ich glaube dir, Jenny. Ich versuche weiter, Mark zu erreichen. Mir ist nämlich eingefallen, daß er noch ein Buch von mir hat. Ich möchte es zurückhaben.
    Es gehört auf das dritte Fach in der Bibliothek, das vierte Buch von rechts.« Erichs Stimme wurde irgendwie anders, gereizt und weinerlich. Da hörte sie es wieder.
    Dieses schrille Gewüte, das ihr damals beinahe den Rest gegeben hatte: »Ist Mark dein neuer Freund? Badet er gern? Hure. Raus aus Carolines Bett, raus, sage ich.
    Sofort!«
    Ein Klicken. Dann Stille. Dann das Freizeichen, ein lautes unpersönliches Summen aus dem Hörer in ihrer Hand.
37
    Zwanzig Minuten später rief Sheriff Gunderson an.

    »Jenny, die Telefongesellschaft ist der Sache ein Stück nähergekommen. Sie hat festgestellt, aus welchem Ortsnetz der Anruf kam. Duluth und Umgebung.«
    Duluth. Im Norden von Minnesota. Mit dem Auto fast sechs Stunden von hier entfernt. Wenn er sich dort versteckte, mußte er schon am frühen Nachmittag losgefahren sein, um sie gegen acht Uhr durch das Fenster zu beobachten.
    Wer hatte in all der Zeit, die er fortgewesen war, nach den Kindern gesehen? Oder hatte er sie allein gelassen?
    Oder waren sie nicht mehr am Leben? Sie hatte seit dem Sechzehnten nicht mehr mit ihnen gesprochen. Das war fast zwei Wochen her.
    »Er scheint bald völlig durchzudrehen«, sagte sie tonlos. Sheriff Gunderson versuchte gar nicht erst, leere Trostworte anzubieten. »Ja, das glaube ich auch.«
    »Was können Sie tun?«
    »Sollen wir die Öffentlichkeit alarmieren? Die Fernsehstationen und die Presse einschalten?«
    »Um Gottes willen, nein. Das wäre das Todesurteil für die Mädchen.«
    »Dann werden wir das Gebiet von Duluth von einem Sonderkommando abkämmen lassen. Und wir möchten einen Kriminalbeamten bei Ihnen im Haus postieren. Sie könnten selbst in Gefahr sein.«
    »Auf keinen Fall. Er würde es merken.«
    Es war kurz vor Mitternacht. Der achtundzwanzigste Februar würde gleich zu Ende sein, der erste März beginnen. Jenny erinnerte sich an einen Aberglauben aus ihrer Kindheit: Wenn man am letzten Abend des Monats vor dem einschlafen ›Hase, Hase‹ sagte und beim Aufwachen am ersten Tag des neuen Monats

    ›Kaninchen, Kaninchen‹ würde das, was man sich am meisten wünschte, in Erfüllung gehen. Nana und sie hatten es oft zum Scherz getan.
    »Hase, Hase«, sagte Jenny. Sie hob die Stimme.
    »Hase, Hase!« schrie sie durch das schrille Zimmer.
    »Hase, Hase, ich will meine Kinder wiedersehen, ich will meine Kinder wiederhaben!« Schluchzend fiel sie auf das Kissen zurück. »Ich will Beth und Tina wiederhaben.«
    Am Morgen waren ihre Augen so geschwollen, daß sie kaum noch sehen konnte. Wie betäubt zog sie sich an, ging nach unten, machte Kaffee, hielt die Tasse und die Untertasse unter den Wasserhahn. Schon beim Gedanken an Essen wurde ihr übel, und es hatte kaum einen Sinn, die eine Tasse und Untertasse in den Geschirrspüler zu stellen.
    Sie zog ihren Skianorak an, lief nach draußen und ging zum Fenster an der Südseite, von dem aus man die Sitzecke in der Küche überblicken konnte. Unter dem Fenster waren Spuren im Schnee, Spuren von Schritten, die aus dem Wald gekommen und dorthin zurückgekehrt waren. Während sie in der Küche gesessen hatte, hatte Erich hier gestanden, das Gesicht an die Scheibe gedrückt, und sie beobachtet.
    Mittags rief der Sheriff wieder an. »Jenny, ich habe Dr.
    Philstrom das Tonband von dem Anruf gestern abend vorgespielt. Er meint, wir sollten das Risiko eingehen, die Kinder öffentlich zu suchen. Aber die Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen.«
    »Ich muß darüber nachdenken.«
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