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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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leise nach Haus kam und nach oben schlich, wenn er dieses Zimmer betrat, würden ihn das Nachthemd und der Duft vielleicht in Sicherheit wiegen.
    Wenn sie endlich schlief, träumte sie in einem fort von den Mädchen. Im Schlaf warteten sie auf sie. Sie riefen
    »Mami, Mami«, sie kamen zu ihr ins Bett gekrochen und drückten ihre kleinen, zappeligen Leiber an sie, und wenn sie dann versuchte, sie in die Arme zu nehmen, wachte sie auf.
    Sie träumte nie von dem Baby. Es war, als gelte dieselbe völlige Hingabe, mit der sie sich bemüht hatte, die schwache Lebensflamme in jenem winzigen Körper am Leben zu halten, jetzt Tina und Beth.
    Sie hatte das Geständnis auswendig gelernt; sie sagte es immer wieder stumm auf: »Ich bin nicht verantwortlich für das, was ich tue…«
    Tagsüber entfernte sie sich nie weit vom Telefon. Um die Zeit totzuschlagen, machte sie morgens meist sauber.
    Sie wischte Staub und bohnerte und moppte, fegte und putzte Silber. Doch aus Angst, das erste Klingeln des Telefons zu überhören, benutzte sie kein einziges Mal den Staubsauger.

    Nachmittags kam Rooney meist herüber, eine ruhige, neue Rooney, für die das Warten vorbei war. »Mir ist eingefallen, daß wir Decken für die Betten der Mädchen machen könnten«, schlug sie vor. »Solange Erich glaubt, daß Sie hier auf ihn warten und daß er wieder mit Ihnen und den Mädchen in einer richtigen Familie zusammensein kann, wird er den beiden bestimmt nichts tun. Aber in der Zwischenzeit sollten Sie sich mit irgend etwas beschäftigen. Sonst drehen Sie noch durch. Fangen wir also an, Decken zu machen.«
    Rooney ging auf den Speicher, um den Beutel mit den Stoffresten zu holen. Sie fingen an zu nähen. Jenny dachte an die Legende von den drei Schwestern, die die Fäden der Zeit spannen, maßen und abschnitten. Aber wir sind nur zwei, dachte sie. Erich ist die dritte. Er kann den Faden des Lebens abschneiden.
    Rooney sortierte die Reste auf dem Küchentisch in kleine Haufen. »Sie sollen bunt und fröhlich sein«, sagte sie, »nehmen wir also keine dunklen Farben.« Sie stopfte die Reste, die ihr nicht gefielen, in den Beutel zurück.
    »Dieser ist von einem Tischtuch der alten Mrs. Krueger, Johns Mutter. Caroline und ich haben oft darüber gelacht, wie einem ein so gräßliches Ding gefallen kann. Und dieses Segeltuch ist von einer Rolle, die sie kaufte, um eine Decke für den Gartentisch zu machen. Das war in dem Sommer, als Erich fünf war. Und — ja, dieses blaue Stück würde ich am liebsten wegwerfen. Erinnern Sie sich, wie ich Ihnen erzählt habe, daß ich daraus Vorhänge für das große Hinterzimmer machen mußte? Als sie aufgehängt waren, sah das Zimmer aus wie eine Gruft. Es war schrecklich düster. Nun…« Sie stopfte es in den Beutel. »Man kann nie wissen, wozu man es noch braucht.«

    Sie fingen an zu nähen. Jenny kam es so vor, als ob Rooney innerlich irgendwie erschlafft war, seit sie nicht mehr hoffen konnte. Alles, was sie sagte, klang gleichmütig, nichts zeugte von innerer Bewegung.
    »Wenn sie Erich gefunden haben, werden wir Arden richtig begraben. Das schlimmste ist jetzt, wenn ich zurückdenke und mich erinnere, wie er mich immer wieder ermutigte, nicht die Hoffnung aufzugeben. Er hat so oft gesagt, Arden sei bestimmt noch am Leben. Clyde hat die ganze Zeit gesagt, sie würde nie von sich aus fortgehen. Ich hätte es wissen sollen. Ich nehme an, irgendwie habe ich es auch gewußt, aber jedesmal, wenn ich sagen wollte, Arden sei sicher oben beim lieben Gott, hat Erich gesagt: ›Das glaube ich nicht, Rooney!‹ Er war so grausam, meine Hoffnungen wachzuhalten, beinahe als ob er die Wunde nicht verheilen lassen wollte. Ich sage Ihnen, Jenny, er verdient es nicht, daß er noch lebt.«
    »Rooney, bitte nicht!«
    »Entschuldigung.«
    Sheriff Gunderson rief jeden Abend an. »Wir haben uns den Grundbesitz vorgenommen. Wir haben Bilder an alle Polizeistationen in den betreffenden Gebieten verteilt, mit der ausdrücklichen Anweisung, nichts an die Öffentlichkeit kommen zu lassen und ihn auf keinen Fall festzunehmen, wenn sie ihn oder den Wagen sehen. In den Häusern, die auf den Steuererklärungen verzeichnet sind, ist er nicht.«
    Behutsam versuchte er, sie zu trösten. »Man sagt, keine Nachrichten seien gute Nachrichten, Mrs. Krueger.
    Vielleicht spielen die Kinder gerade irgendwo in Florida am Strand und werden schön braun.«
    Wollte Gott, daß es so war. Sie glaubte es nicht. Auch Mark rief jeden Abend an. Sie
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