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215 - Die Macht des Sehers

215 - Die Macht des Sehers

Titel: 215 - Die Macht des Sehers
Autoren: Jo Zybell
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Wahrhaftig: Er lächelte!
    Vielleicht sogar…? Matt konnte es nicht fassen: Der Kaiser schien seine Warnung gar nicht ernst zu nehmen!
    Er hatte nachgerechnet: Wenn seine Geschichte stimmte, war de Rozier am 5. April 2474 in diese Zeit gelangt. Der Zeitsprung lag also fast fünfzig Jahre zurück! In nicht ganz einem Monat würde es vorbei sein mit dem Schein der ewigen Jugend. Dann würde der barocke Autokrat sich innerhalb weniger Stunden in eine zerfallende Mumie verwandeln.
    Matthew trat näher an ihn heran und flüsterte ihm ins Ohr; die Worte waren nicht für den Rest der Besatzung bestimmt.
    »Hören Sie, Majestät – ich weiß, wovon ich rede! Die Tachyonen des Zeitstrahls halten den Alterungsprozess nur fünfzig Jahre lang auf!«
    »Naturellement!« Der Kaiser öffnete die Augen, holte ein Teleskopfernrohr aus der Fracktasche und zog es auseinander.
    »Doch jetzt wollen wir uns auf die Landung auf Wimereux-à-l’Hauteur konzentrieren, nicht wahr?« Er richtete sein Fernrohr auf die näher rückende Wolkenstadt.
    Matt konnte nur hoffen, dass der einzige Grund für de Roziers Verschlossenheit darin bestand, dass sich nun auch die restlichen Insassen des Luftschiffs um sie versammelt hatten: Neben den beiden Piloten waren das sein Sohn Prinz Akfat, zwei Leibwächter, eine Ärztin aus Orleans-à-l’Hauteur, die das Anti-Serum gegen die Gruh-Seuche mit sich führte, ein Hauptmann namens Lysambwe und Pierre de Fouché, ein hochrangiger Militär. Sie alle – nicht einmal der Sohn des Kaisers – wussten nicht um seine wahre Geschichte, sein früheres Leben und wie er in diese Zeit und nach Afrika gelangt war. [1]
    Ihm dagegen, Matthew Drax, hatte der barocke Mann auf dem viertägigen Flug sein Geheimnis offenbart, so wie ihm Matt zuvor seine Geschichte erzählt hatte. Das gemeinsame Schicksal hatte den Kaiser schließlich Vertrauen fassen lassen.
    So wie Matt selbst als amerikanischer Luftwaffenpilot in den hydreeischen Zeitstrahl geraten und auf einer postapokalyptischen Erde des 26. Jahrhunderts gestrandet war, so hatte es Pilatre de Rozier, den französischen Flugpionier und Ingenieur, aus dem späten 18. Jahrhundert hierher verschlagen.
    Sie beide hatten lernen müssen, in einer völlig veränderten, gefährlichen Umwelt zu überleben. De Rozier hatte in dieser Zeit wahre Wunderwerke geschaffen; auf eines flogen sie gerade zu.
    Die Wolkenstadt kam langsam näher und der Pilot drosselte die Dampfmaschine der Roziere, um die Landung einzuleiten.
    Die Szene erinnerte Matt wie ein déjà vu an ihre Ankunft bei Orleans-à-l’Hauteur vor über einer Woche. Damals waren sie von der Großen Grube gekommen, wo eine Schlacht stattgefunden hatte zwischen den kaiserlichen Truppen und bizarren Wesen, die aus der Tiefe hervor gekrochen waren: Matt hätte sie als Zombies bezeichnet, bei den Einheimischen hießen sie »Gruh«. [2] [3]
    Während das Luftschiff nun eine leichte Kurve beschrieb und seine Flughöhe an die der Wolkenstadt anglich, wanderten Matts Gedanken zurück zu seiner Ankunft auf Orleans, bei der eine Frau an seiner Seite gestanden hatte, mit der zusammen er den Kaiser aus höchster Not gerettet und die ihn über die Maßen beeindruckt hatte…
    ***
    8. März 2524, vor Orleans-à-l’Hauteur
    Die schokoladenfarbene Schönheit stand neben dem Kaiser – ihrem Vater – an der Reling und blickte zu der näher kommenden Wolkenstadt: Prinzessin Marie. In dem Moment, da Matt an das Bugfenster trat, drehte sie ihren Kopf nach ihm um und lächelte ihr charmantes Schokoladenlächeln. Matthew Drax nickte ihr zu, sie hakte sich bei ihrem Vater unter.
    Etwa vierhundert Meter vor und zweihundert Meter unter ihnen lag ein großes pyramidenförmiges Bauwerk – die Versorgungsstation. Darüber schwebte Orleans-à-l’Hauteur.
    Ankertaue und ein dicker Gasschlauch verbanden sie mit der Pyramide. Der linsenförmige Unterbau der Flugstadt tankte vulkanische Gase nach. Im Süden – schon weit über der Savanne – erkannte Matt den Vogelschwarm, der die Landung verzögert hatte: Marabus.
    Etwa dreihundert Vögel waren es gewesen, jeder einzelne so groß und so schwer wie ein vorapokalyptischer Schwan. Und jeder war mit einem Schnabel ausgestattet, gegen den sich das Kurzschwert eines römischen Legionärs wie ein Spielzeug ausnahm.
    Um den Ballonkörper seines Luftschiffes zu schützen, hatte de Rozier befohlen, das Fluggerät in eine Höhe zu manövrieren, die Marabus gewöhnlich nicht erreichen. Hier oben hatten sie
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