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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
Autoren: Florian Opitz
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Einleitung – Wie alles anfing …
    Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, ein ganz normales und erfülltes Leben zu führen. Ohne große Probleme. Als Kind war ich Pfadfinder und später Punk. Ich habe studiert, ja, und ich habe sogar einen Job gefunden, der mir Spaß macht und mich in der Welt herumgebracht hat: Ich mache Dokumentarfilme. Ich habe eine tolle Freundin und inzwischen auch ein Kind, Anton. Also eigentlich ist alles super. Eigentlich. Doch irgendwie habe ich in den letzten Jahren gemerkt, dass etwas mit mir nicht stimmt. Ich habe keine Zeit. Sosehr ich mich auch anstrenge – ich habe immer viel zu wenig Zeit für das, was ich mir vornehme.
    Es ist jedes Mal das Gleiche: Ein Job ist erledigt, ein neues Jahr beginnt, und ich nehme mir vor, dass ab jetzt alles anders wird. Endlich mal wieder ausgehen, Zeit mit Freunden oder der Familie verbringen, ins Kino oder zu Konzerten gehen. Doch dann dauert es nicht lange, und meine Pläne zerplatzen wie Seifenblasen. Und ich hetze wieder genauso atemlos durchs Leben wie zuvor. Sobald ich auf meiner To-do-Liste eine Aufgabe abhake, kommen unten fünf neue hinzu, und der geplante Konzertbesuch ist dahin. Irgendwas mache ich falsch.
    Seit Jahren schon will ich mit meiner Freundin Caro mehrere Monate durch Lateinamerika reisen. Chile, Bolivien bis rauf nach Nicaragua – das war der große Plan. Weiter als in die Toskana haben wir es bisher allerdings nicht geschafft. Eine Woche Kurzurlaub, und das auch nur mit Handy, Laptop und einer Menge Arbeit. »Hab ich vor dem Urlaub leider nicht mehr fertigbekommen«, sage ich ihr schuldbewusst. Der Blick, den ich ernte, das Rollen der Augen, ist unmissverständlich. Sie hat diesen Satz schon zu oft gehört. Jedes Jahr gebe ich mich erneut der Illusion hin, dass ich bald mehr Zeit haben würde, und nehme mir deshalb besonders viel vor: mehr Ausflüge ins schöne Berliner Umland oder endlich mal nach Polen. Da war ich noch nie, obwohl die Grenze gerade mal hundert Kilometer von uns entfernt ist. Rennradfahren, Klettern und mal wieder auf Ausstellungen gehen. Jahr um Jahr scheitere ich an meinen guten Vorsätzen.
    Natürlich wollte ich dieses Jahr auch endlich einmal meinen Bruder in Freiburg und einen Freund in Paris besuchen, den hatte ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. »Jaja!«, sagen beide genervt und ungläubig am Telefon. Denn sie wissen schon, was ich mir noch nicht eingestehen will: dass ich es sowieso nicht schaffen werde. Als wir uns wie jedes Jahr an Weihnachten in unserer Heimatstadt Baden-Baden trafen, hatte ich vor zwei Jahren mit dem gleichen Freund bierselig gewettet, dass ich es auf jeden Fall schaffen würde, ihm mindestens einmal pro Halbjahr einen Brief zu schreiben – einen richtigen Brief mit Tinte auf Papier, keine E-Mail. Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinbekäme, habe ich am Abend noch getönt. Und ich meinte es auch wirklich so. Unnötig, es hier zu erwähnen: Die Wette ging verloren, und die Wettschulden sind noch immer nicht beglichen.
    Oder mal wieder Sport machen. Wird auch Zeit. Ich komme immer mehr außer Form, worauf Caro mich ab und an mit kleinen versteckten Bemerkungen in psychologisch verträglichen Dosen hinweist. Klar weiß ich, wie wichtig es für Körper und Geist ist, sich zu bewegen, nur bin ich in der letzten Zeit einfach überhaupt nicht dazu gekommen. Pah, was sage ich? In den letzten Jahren!
    Meine Erfahrung mit der Zeit beschränkt sich inzwischen nur auf das eine Gefühl – sie fehlt! Warum ist das nur so? Warum kriege ich es einfach nicht hin, einigermaßen zurande zu kommen mit meiner Zeit? Anderen gelingt es doch auch! Woher kommt dieser ständige Zeitdruck?
    Mein Problem ist nicht neu. Eigentlich habe ich es schon seit mehreren Jahren. Doch irgendwie habe ich es lange nicht bewusst wahrgenommen. Ich gebe zu: Ich habe mir einfach nie die Zeit genommen, überhaupt darüber nachzudenken. Es gab ja schließlich immer genügend andere wichtige Dinge zu tun. Bis, ja bis zwei wirklich einschneidende Erlebnisse mein Leben gründlich auf den Kopf gestellt haben.
    Vor dreieinhalb Jahren wurde ich während einer Recherchereise in Afrika zusammen mit meinem Kameramann Andy vom nigerianischen Geheimdienst verhaftet, verschleppt und vor Gericht gestellt. Die absurde Anklage: Spionage, worauf in Nigeria vierzehn Jahre Haft stehen. Es folgten ein langer quälender
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