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Schnitzelfarce

Schnitzelfarce

Titel: Schnitzelfarce
Autoren: Gmeiner-Verlag
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vertretenen Thesen. Dass nämlich die
Abkürzung WD der Gruppierung eigentlich für ›Wahrhafte Deppen‹ stand und dass
die ›Wehrhaften Demokraten‹ nicht den rechten Rand des politischen Spektrums
abdecken wollten, sondern der rechte Rand waren.
    Natürlich blieb Falk Geyer - ein bisschen viel Vogel für einen
einzigen Menschen, finden Sie nicht auch - nicht lange alleine. Innerhalb einer
Woche hatte, die Grünen ausgenommen, jede in Wien wahlwerbende Partei zumindest
einen eigenen Vogel, der sich für das Wiener Schnitzel ins Zeug legte, als
ginge es um die Sanierung des Gesundheitssystems. Der berühmte Brecht’sche
Sager ›Erst kommt das Fressen, dann die Moral‹, erlebte einige eigenwillige
Interpretationen in diesen Tagen.
    Am Höhepunkt der in den Medien luftig-locker als
›Schnitzelkrieg‹ apostrophierten Auseinandersetzung kam es teilweise zu
wirklich unschönen Szenen. Wer die mitunter heftigen Angriffe gegen Brüssel und
den südlichen Nachbarn belächelte oder gar die verräterische Frage stellte, ob
»wir den wirklich keine anderen Sorgen haben«, wurde deutlich zur Ordnung
gerufen oder gar als ›Unpatriot‹ und ›Verräter‹ beschimpft. In Jesolo, Lignano
und anderen Orten der oberen Adria war es um ›Ferragosto‹ herum vereinzelt sogar
zu Handgreiflichkeiten zwischen ›Wiener‹ und ›Mailänder Schnitzlern‹ gekommen.
Auch zahlreiche ›Unpatrioten‹ sollen dabei ihr Schmalz abbekommen haben.
    Am 21. August gründete eine Gruppe besonnener Wiener Bürger und
Bürgerinnen die überparteiliche ›Plattform für das Schnitzel‹ und ersuchte den
allgemein beliebten und weit über die Grenzen der Stadt, ja des Landes hinaus
be- und anerkannten Altbürgermeister Dr. Ladak, den Vorsitz zu übernehmen. Dem
eloquenten und weltgewandten ehemaligen Politiker gelang es erfreulich rasch,
die Wogen wieder etwas zu glätten und die ›Kirche ins Dorf‹ zurückzubringen.
Seit einer am 26. August gehaltenen, auch international sehr beachteten Rede
Dr. Ladaks an ›die Freunde des Wiener Schnitzels‹ in Österreich und der ganzen
Welt beruhigten sich die Gemüter wieder. Sein Appell an Brüssel und die
beteiligten Mitgliedsländer, Toleranz und gegenseitigen Respekt an die Stelle
von Scheuklappen und kleinkarierten Egoismen treten zu lassen, hatte seine
Wirkung selbst bei vielen der bisherigen Hardlinern nicht verfehlt. Danach
erreichten Falk Geyers Hasstiraden sowohl qualitativ wie auch quantitativ nicht
einmal mehr Kabarettcharakter.
    Dennoch konnte Palinski eine leichte Spannung spüren, die sich
im Umkreis des neuen Lokals an der Ecke Hauptstraße/Sommer-Gasse aufgebaut
hatte.
    Auf der gegenüberliegenden Seite hatten sich einige Anhänger der
WD mit Transparenten wie »Hoch lebe unser Wiener Schnitzel« und »Nieder mit dem
Katzlmacherfraß« aufgebaut. In diesem Moment genierte sich Palinski für seine
engeren Landsleute und hoffte nur, dass seine geliebte ›Mama Maria‹ diesen Mist
nicht zu sehen bekommen würde.
    Obwohl die Eröffnung erst in einer Stunde beginnen sollte, war
der Kreuzungsbereich schon mit hundert oder noch mehr Menschen bevölkert. Vor
der ›Beisl-Bar‹ hatte eine aus mindestens 30 Musikanten bestehende Kapelle der
Wiener Stadtwerke Aufstellung genommen. Dass sie ihre musikalischen
Darbietungen nach dem »Oh du mein Österreich«-Marsch von Franz von Suppé
ausgerechnet mit dem Triumphmarsch aus Verdis ›Aida‹ fortsetzten, zeigte ein
erfreuliches Gespür für Ausgewogenheit, das Palinski angenehm überraschte.
    Die vereinzelten »Buhs« der wahren Deppen als Reaktion auf
Verdis klassischem Evergreen gingen erfreulicherweise im allgemeinen Applaus des
Publikums unter.
    So, jetzt wurde es langsam Zeit, der Welt sein Schnitzel zu
schenken. Ein Griff in die Jackentasche bestätigte ihm, dass er die so wichtige
Chilischote nicht vergessen hatte. Bei allen anderen Zutaten konnte er
improvisieren, falls Herr Wiener vergessen haben sollte, sie bereitzustellen.
Auf die Schote kam es aber an.
     
    * * * * *
     
    Der Entführer war wieder in das abgelegene Haus
im Wienerwald gekommen. Er saß auf der Bank in der kleinen, nur mit dem
Allernotwendigsten ausgestatteten Küche und dachte nach. Zwei zentrale Punkte
waren es, die ihn bereits den ganzen Tag beschäftigten.
    Da war zunächst die Frage, wie er die Übergabe
des Lösegelds organisieren sollte, ohne Gefahr zu laufen, dabei erkannt oder
gar gefasst zu werden. Er hatte
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