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Schnitzelfarce

Schnitzelfarce

Titel: Schnitzelfarce
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Runden durch den Bezirk
und den angrenzenden Alsergrund hatte er sich einen kräftigen Cappuccino in
einem der wenigen um diese Tageszeit bereits geöffneten Kaffeehäuser genehmigt
und nachgedacht.
    Sobald man die Lösung für ein Problem hat, erscheint sie einem
banal und selbstverständlich. Und man wundert sich, warum man nicht gleich
darauf gekommen ist. So war es auch Palinski gegangen, als er den Wagen in die
zum großen Supermarkt Ecke Hauptstraße/Billrothstraße gehörende Tiefgarage
gelenkt und dort abgestellt hatte. Der Markt würde heute erst um 18 Uhr
schließen. Wenn er um 17.30 Uhr durch die Garage kommen und dabei ein
Parkticket ziehen würde, würde er nach dem Kauf von einem Kilogramm Orangen
oder einer Flasche Sekt an der Kasse das Ausfahrtsticket bekommen, ohne etwas
für die mehr als zehn Stunden Parken bezahlen zu müssen. Eine zwar nicht ganz
saubere, aber recht elegante Lösung, fand Palinski. Und durchaus in der
Toleranzbreite der heutigen Ellbogengesellschaft, an der er sich ohnehin kaum
beteiligte, hatte er den Anflug schlechten Gewissens besänftigt.
    Jetzt schlenderte er die knapp 200 Meter zu seiner Wohnung
zurück und beobachtete die mobilen Kramer, die ihre Verkaufsstände aufbauten,
um all das zum Kauf anzubieten, was schon im Vorjahr niemand hatte haben
wollen.
    Palinski erinnerte sich noch gut an das erste Fest dieser Art.
Er wusste zwar nicht mehr genau, wie lange das schon her war. Es mussten so 12
bis 15 Jahre sein, schätzte er. Aber der Eindruck dieser damals vor allem von
der Wohnbevölkerung getragenen Veranstaltung war noch ganz frisch. Natürlich
hatte auch schon seinerzeit der Kommerz regiert. Die örtlichen Kaufleute hatten
ihre unverkäuflichen Lagerbestände auf der
Straße aufgebaut und verramscht. Daneben war aber genug Platz für die spontanen
kleinen Flohmärkte der Kinder gewesen, die damit ihren Spaß gehabt und ihr
Taschengeld aufgebessert hatten. Auf der für 12 Stunden zur Fußgängerzone
mutierten Hauptstraße waren die Familien flaniert, hatten alte Freunde
getroffen und neue Bekanntschaften gemacht. Alle hatten sich an dem Fest
erfreut und einen schönen Tag genossen.
    In den folgenden Jahren wurde der
›Sommerschlussverkaufs-Charakter‹ des Festes immer deutlicher. Als man vor
einigen Jahren allen Ernstes begonnen hatte, von den Kindern Standmieten für
ihre kleinen improvisierten Verkaufsstände zu verlangen, hatte der Kommerz
endgültig gesiegt. Die zwei, drei Dutzend enttäuschter Kinderseelen würde man
heute wohl hochtrabend als › psychischen Kollateralschaden‹ bezeichnen können.
    Inzwischen hatte Palinski das beeindruckende, anfangs des 20.
Jahrhunderts errichtete Bürgerhaus erreicht, in dem sich seine Wohnung befand.
Er nahm auf der Bank im Innenhof Platz, die durch den Fall ›Lettenberg‹ zu
einer bestimmten, jetzt aber schon wieder abnehmenden Berühmtheit gelangt war.
    Stolz betrachtete er die links vom Eingang zur Stiege vier
befindliche Tafel mit der Aufschrift ›Institut für Krimiliteranalogie‹, die er
erst gestern montiert hatte. Damit hatte seine eigenartige Tätigkeit einen
Namen bekommen, einen offiziösen Anstrich sozusagen. Palinski war zwar absolut
sicher, dass sich kein Mensch etwas unter diesem vom ihm geschöpften Kunstwort
vorstellen konnte, aber das war auch gar nicht notwendig. In dieser seltsamen
Zeit, in der er lebte, waren schon wesentlich unverständlichere Begriffe zum
Allgemeingut geworden. Es ging jetzt darum, selbst einmal drauf zu kommen, was
er darunter verstand. Damit er es den paar Ehrlichen, die den Begriff
hinterfragten, erklären konnte.
    Eine ältere Frau näherte sich Palinski und blieb vor ihm stehen.
    »Tschuidigen da Hea«, sagte sie mit unterwürfigem Ton, »oba i
miassat gaunz dringend .« Unruhig stieg sie von einem
Bein auf das andere.
    Der aus seinen privatwissenschaftlichen Gedankengängen gerissene
›Institutsvorstand‹ stand entweder auf der Leitung oder wollte nicht verstehen.
»Na, dann tun Sie halt«, entgegnete er unfreundlicher als es seine Art war.
»Ich werde Sie nicht aufhalten .« Er mochte diese
Standlerleute nicht, die ihm den Parkplatz wegnahmen und ihn zwangen, den
Supermarkt an der nächsten Ecke zu bescheißen.
    »Nau, Sie hom guat red’n«, der zunächst devote Ton hatte der
natürlichen Hantigkeit der im Existenzkampf auf der Straße gestählten Frau
Platz gemacht. »Kennan vur lochn. Oda woins wirkli, doß i do vur
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