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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman
Autoren: Aufbau
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Alef, be, pe, te. Ich malte die Schriftzeichen mit dem Finger in den feinen Sand auf dem Dach unseres Hauses. Ich war stolz, dass ich noch wusste, wie man sie schrieb. Ce, jim, se … Ich strich den Boden neben meiner Matte, der Toshak, glatt und sah nach meinen schlafenden Geschwistern. Dann verengte ich die Augen, um meinen Namen im Zwielicht lesen zu können: Zulaikha .
    Bevor ich ihn wegwischte, tauchte ich die Finger in den kühlen, braunen Sand. »Entschuldige, Mada-jan«, flüsterte ich und sah zum Morgenhimmel auf. »Ich vergesse langsam, was du mir beigebracht hast.« Vielleicht hörte sie mich ja oben in Jannah, dem Paradies, wo sie über uns wachte.
    Ich senkte den Blick auf meine Schwester Zeynab, die neben mir schlief. Ihr schimmerndes schwarzes Haar fiel auf ihr rundes Gesicht und den wohlgeformten Mund. Sie fuhr im Schlaf mit der Zunge über ihre Lippen. Immer wieder war ich von ihrer Schönheit fasziniert und wünschte mir, wenigstens ein bisschen wie sie auszusehen. Ich griff nach meinem grünen Tschador und zog ihn über den Kopf. Er roch nach Salz und Rauch und musste dringend gewaschen werden.
    Hähne krähten und Hunde kläfften. Der kleine Ort An Daral lag noch in tiefem Schlummer.
    »Allahu Akbar«, erschallte die Stimme des Muadhin ein paar Straßen weiter aus dem Lautsprecher. Er rief die Gläubigen zum Gebet. Der Tag hatte begonnen.
    Zeynab rieb ihre Augen. »Oooh, so früh?« Sie drehte sich zu Khalid und Habib um, die sich auf ihren Toshaks regten. »Ich wäre gern noch jünger. Dann dürfte ich weiterschlafen.«
    Ich erwiderte nichts, sondern goss Wasser aus dem Krug in eine Schüssel, damit Zeynab ihre Wudhu verrichten konnte, die rituelle Waschung vor dem Gebet. Sie tat das Gleiche für mich. Dann knieten wir uns auf die Teppiche, wandten das Gesicht nach Westen und sprachen die Gebete. Wir erhoben uns, setzten uns wieder, verneigten uns und dankten und priesen Allah in seiner unendlichen Güte. Das war das beste Gebet des Tages, denn bald würde Allah die heiße Sonne hinter uns aufgehen lassen.
    Nach dem Gebet legte sich Zeynab sofort wieder auf ihre Toshak. Mir wollte nie in den Kopf, was sie davon hatte, noch knapp zwei Minuten weiterzuschlafen. Ich drehte mich nach Osten zu den Bergen um, hinter denen der Tag in Rosa und Gold heraufdämmerte.
    Im Namen Allahs, des Allergnädigsten, und seines Propheten Mohammed, Friede sei mit ihm, danke ich für diesen neuen Tag und bete darum, eine Tochter zu sein, auf die meine Mutter stolz gewesen wäre. Ich bete darum, meinem Vater keine Last, sondern eine Freude zu sein. Dann fügte ich wie immer hinzu: Und bitte sorge dafür, dass ich mich nicht mit Malehkah streite .
    Nach diesem persönlichen Gebet ging ich zu meiner Schwester und rüttelte sie sanft an der Schulter.
    Zeynab stöhnte. »Noch ein bisschen, Zulaikha, bitte. Malehkah hat noch gar nicht gerufen.«
    Ich zog an ihrem Ärmel. »Wie der Muadhin sagt: Beten ist besser als schlafen.«
    Sie gähnte. »Vielleicht bete ich ja im Schlaf. In meinen Träumen.«
    »Soll das ein Witz sein?«, erwiderte ich. »Außerdem hat Malehkah sicher schon Tee und Reis gekocht. Sie wird …«
    »Zulaikha! Zeynab!« Malehkahs schrille Stimme durchschnitt die morgendliche Stille und hallte von den Wänden wieder. Sie mochte es nicht, wenn wir sie warten ließen. Oh nein!
    »Zeynab«, sagte ich. Aus meinem Mund klang ihr Name wie Zeynav . »Komm schon. Wir müssen rasch zu Malehkah.«
    Bevor ich zur Treppe ging, die nach unten ins Haus führte, hockte ich mich noch schnell neben meinen kleinen Bruder Khalid, der mit seinen neun Jahren unruhiger schlief als der zweijährige Habib. Khalid wühlte sich im Schlaf immer aus der Decke. Als ich ihn behutsam zudeckte, schob er seinen Daumen in den Mund und griff nach meiner Hand. Ich strich sein Haar glatt, während ich meine Hand langsam wegzog.
    »Schlaf weiter, Bacha«, flüsterte ich lächelnd. »Wenn du aufwachst, mache ich dir etwas zu essen.«
    Malehkah wartete am Fuß der Treppe auf uns. »Wo bleibt ihr denn? Kümmere dich um den Reis, Zeynab.« Sie nickte mir zu, die Hände vor den dicken Bauch gelegt, als wollte sie ihr ungeborenes Kind vor mir schützen. »Geh und kauf Naan-Brot, Zulaikha. Aber beeil dich. Dein Vater und Najibullah sind hungrig.«
    Ich zog einen Zipfel des Tschadors vor mein Gesicht, denn Malehkah gefiel der Anblick meines Mundes nicht.
    »Und dass du mir ja nicht mit den Ladenburschen schwatzt. Es wird schwierig genug sein, einen Mann
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